Animation | Spanien/Großbritannien 2010 | 94 Minuten

Regie: Tono Errando

Animationsfilm über die bittersüße Liebesgeschichte zweier kubanischer Musiker. Ein Pianist und eine Sängerin werden ein Liebespaar, doch unglückliche Zufälle, misslingende Kommunikation und unterschiedliche musikalische Ansichten sorgen dafür, dass die Liebenden getrennt werden. Ihre Karrieren in den USA stehen im Zwielicht ethnischer Diskriminierung. Ein flächig entworfener, in klaren Farben erstrahlender und die Körper und Gegenstände in schwarze Konturen fassender Trickfilm, der nicht zuletzt auch durch seine furiose Hommage an den Jazz zu fesseln versteht. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
CHICO & RITA
Produktionsland
Spanien/Großbritannien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
CinemaNX/Estudio Marisca/Fernando Trueba Pro.Isle of Man/Magic Light
Regie
Tono Errando · Javier Mariscal · Fernando Trueba
Buch
Ignacio Martínez de Pisón · Fernando Trueba
Musik
Bebo Valdés
Schnitt
Arnau Quiles
Länge
94 Minuten
Kinostart
30.08.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Animation
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Kool (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl. & span./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Zum Schuheputzen sind diese Finger nicht gemacht. Feingliedrig und flink hasteten sie einst über die Pianos auf den Bühnen der westlichen Welt. Bebop, Modern Jazz, Rumba und seine eigenen, sentimentalen Kompositionen bildeten das Repertoire des „besten Pianisten Kubas“. So wird er von seinem engsten Freund und Manager Ramón im Jahr 1948 angepriesen. 60 Jahre später sitzt Chico alt und gebrechlich in seiner Einzimmerwohnung und träumt von besseren Tagen – und damit von Rita, der Frau mit der sanften Stimme und dem wunderschönen Gesicht. Ein Klavier haben seine Finger seit Jahrzehnten nicht mehr berührt. Chico bleiben nur noch eine nostalgische Radiosendung und die Erinnerung an zwei Herzen, die im selben Takt zur selben Musik schlugen. Aber das viel zu selten und meist auf verschiedenen Bühnen, ja sogar auf anderen Kontinenten. Liebe und Eifersucht kamen dem erfolgreichen Duo in Havanna in die Quere, bis die Sängerin Rita notgedrungen ein Engagement in New York annahm und an der Seite eines weißen Investors als Rita La Belle bis zum Hollywoodstar aufstieg. Die hellhörigen Wände, die Stromausfälle, die mit der Zeit verfallenen Häuser begleiten seinen Alltagstrott: Es sind die Auswüchse der Revolution und der anschließenden Diktatur. Die Endstation von Chicos Pianisten-Karriere sind Empfänge und Auftritte in kleinen New Yorker Piano-Bars, wohin Chico Rita einst hinterher reiste und wo ihm damals sein großer Wurf gelang: eine Europa-Tournee mit der Band von Dizzy Gillespie – bis er aufgrund untergeschobener Drogen als Dealer nach Kuba zurückgeschickt wurde. Der Animationsfilm „Chico & Rita“ erzählt von einer großen Liebe, die zu selten gelebt werden durfte, und von einer großen Liebe zur Musik. Bebildert und vertont wird aber nicht nur dieses, sondern es werden auch die Schattenseiten beleuchtet, die der Starruhm für farbige Künstler in den 1950er-Jahren bereithielt. Die Clubs der Weißen müssen Chico und Ramón in Kuba wie in Amerika oft durch Hintereingänge betreten. Obwohl Rita auf glänzenden Bühnen singt, muss sie in den schäbigen Motels am Rand der Städte übernachten. Als sie einsam und frustriert versucht, ihrer Benachteiligung Gehör zu verschaffen, ist das zugleich das Ende ihrer Karriere. „Chico & Rita“ schildert somit auch zwei verfeindete Länder, deren Musik-, aber auch Zeitgeschichte sich vermischt – und zwar zu einer Zeit, die für die Musik schwarzer Künstler bereit war, aber nicht für deren Hautfarbe. Charlie Parker, Chano Pozo, Ben Webster, Nat King Cole und die spanische Flamenco-Sängerin Estrella Morente sind in diesem Film zu sehen und zu hören, oft von anderen Musikern nachvertont. Das Liebespärchen, das ihnen begegnet, ist hingegen fiktiv. Chicos und Ritas Musik wurde von dem 1918 in Havanna geborenen Pianisten Bebo Valdés komponiert, einem Musiker mit einer frühen und einer späten Karriere, unterbrochen von der kubanischen Revolution, über den Fernando Trueba eine Dokumentation drehte und der auch die Figur des gealterten Chico inspirierte. Chico mutet mit seinen Erlebnissen wie ein Vertreter der realen schwarzen Musiker seiner Zeit an. Rita hingegen dürfte auch 20 Jahre später mit ihrer Karriere Josephine Baker ähneln – nicht umsonst erträumt Chico sie einmal im Bananen-Röckchen, geraubt von den weißen „Kultur-Imperialisten“. Die Animationen dieses Trickfilms, der seine Metropolen so farbenfroh in Szene setzt, sind ziemlich flächig geraten. Die Gewänder und Gemäuer sind unifarben, allein die Schattenwürfe geben Konturen. Was das spanische Regie-Trio als Liebesgeschichte inszeniert, ist im Grunde die etwas naive Abfolge unglücklicher Zufälle und eine fehlerhafter Kommunikation, die zu einer langen Trennung führen. Stolz, andere Partner, ein Verrat durch Ramón, aber auch die Ablehnung der „imperialistischen Musik“ führen dazu, dass Chico und Rita zu unterschiedlichen Lebensphasen und ohne einander ihre großen Triumphe feiern. Das ist die Tragik zweier Leben und eines Films, der ein bitter-süßes Ende nimmt. Das besitzt nicht die historische Tiefe und Experimentierfreudigkeit des ähnlich animierten „Waltz with Bashir“ (fd 38 978). Dennoch ist „Chico & Rita“ ein derart gelungenes Ton-Bild-Arrangement, das durch seine Einfachheit ergreift und durch seine Musikalität zu fesseln versteht.
Kommentar verfassen

Kommentieren