Tragikomödie | USA/Deutschland 2011 | 91 Minuten

Regie: Miranda July

Ein junges Paar beschließt, eine Katze bei sich aufzunehmen, und gerät darüber in eine Krise: Mit der Verantwortung für das Tier scheint den beiden die Zukunft kein Raum unbegrenzter Möglichkeiten mehr zu sein. Bis zur Ankunft des Tieres wollen sich die beiden Luft für die Umsetzung von Lebensträumen verschaffen, wobei Krisen nicht ausbleiben. Spielerisch-surreale Tragikomödie um die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben, bei der die Künstlerin Miranda July anhand kindlich-naiver Figuren fantasievoll den Rätseln des Lebens, der Liebe und des Kunstschaffens nachspürt. Ein unterhaltsames, ebenso kluges wie vielschichtiges Generationsporträt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE FUTURE
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Razor Film/GNK Prod.
Regie
Miranda July
Buch
Miranda July
Kamera
Nikolai von Graevenitz
Musik
Jon Brion
Schnitt
Andrew Bird
Darsteller
Miranda July (Sophie) · Hamish Linklater (Jason) · David Warshofsky (Marshall) · Isabella Acres (Gabriella) · Joe Putterlik (Joe, der Mond)
Länge
91 Minuten
Kinostart
27.10.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Eine ungewöhnliche Erzählerperspektive hat sich die Performace- und Videokünstlerin, Schriftstellerin und Filmemacherin Miranda July da ausgesucht: Es ist eine Katze, die mit kratziger Stimme in die Handlung einführt; sie ist ein kongenialer Stellvertreter für die naive, entwaffnend offene und spielerisch-surreale Herangehensweise, mit der July die Rätsel des Lebens, von Liebe und Sex sowie der Kunst untersucht. Ihre Figuren sind einmal mehr kindliche Forscher im Selbstexperiment, die nach Formeln suchen, mit denen sich das Leben ver- und bestehen lässt. Zweifel und Unsicherheiten bleiben nicht aus. Das gilt sogar für die Erzählerkatze: Nach einem Dasein als ungebundene Streunerin wartet sie darauf, in einem Monat von einem jungen Menschenpaar „adoptiert“ zu werden. Das Tier weiß um den Verlust an Freiheit, den das Dasein als Hauskatze mit sich bringt; doch es spürt auch eine Sehnsucht nach Geborgenheit. Noch weniger sind die Menschen mit sich im Reinen: Sophie und Jason, beide um die Dreißig, bekommen vor dem Einzug der Katze kalte Füße, wie es sonst Paaren vor der Geburt des ersten Babys ergehen mag. Für ein kleines Wesen sorgen, heißt eine Verpflichtung eingehen, sich festlegen. Und damit steht das Gespenst im Raum, das der Titel beschwört: die Zukunft. Jason und Sophie gehen davon aus, dass ihnen für die Umsetzung ihrer Träume nur noch der freie, katzenlose Monat bleibt. Also muss gehandelt werden! Beide kündigen ihre langweiligen Jobs, um Luft für Dinge zu schaffen, die ihnen wichtig sind: Sophie will ein Tanz-Projekt für YouTube entwickeln; Jason beschließt, sich treiben zu lassen und einen offenen Blick für die Aufgaben zu haben, die das Schicksal an ihn heran trägt. Beide geraten in eine Krise, die letztlich auch ihre Zukunft als Paar in Frage stellt. Die Zeit und das Zwischenmenschliche, die Mühsal mit der Kunst, die Tücken der Selbstinszenierung und der Kommunikation im virtuellen Zeitalter: Um diese Themen ging es bereits in Miranda Julys Spielfilmdebüt. „Ich und Du und Alle die wir kennen“ (fd 37 482) verband die Probleme junger Erwachsener, die sich an der Kluft zwischen Wunsch- und Möglichkeitswelten und der Realität ihres Alltags reiben, mit den (sexuellen) Entdeckungsreisen Heranwachsender; in „The Future“ konzentriert sich July nun ganz auf die Thirtysomethings – die allerdings noch sehr viel Teenagerhaftes an sich haben: die Scheu vor Festlegung, die Lust, sich selbst in verschiedenen Rollen auszuprobieren, die Neugier, mit der sie sich selbst und die Welt betrachten. Letztere wird von der durchaus erwachsenen Angst vor dem Scheitern konterkariert, die vor allem Sophie befällt, als sie mit ihrem YouTube-Projekt nicht so recht weiter kommt. Diese Angst treibt sie in eine Art bürgerliches Parallelleben, in dem sie nach Sicherheit sucht, ohne freilich aus ihrer Haut zu können, die sie in Form eines alten Shirts buchstäblich verfolgt. Miranda July, die selbst wieder die weibliche Hauptrolle spielt, zeigt ihre beiden Protagonisten bei aller Komik nicht als Witzfiguren, sondern als tragikomische Helden, hinter deren überspitzt-absurder Lebenskrise durchaus handfeste Existenzfragen stehen; eine gewisse Sentimentalität und Wehmut hält dem Witz und der Verspieltheit die Waage. Die zauberhaft närrische Weise, wie die Künstlerin und ihre Charaktere mit den Mitteln der Kunst und der Liebe um ein erfülltes Leben jenseits banaler Alltäglichkeit ringen, macht sie zu modernen Don Quijotes, deren Windmühlenflügel-Gefechte sicher zum Lachen, aber doch alles andere als lächerlich sind.
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