Die Höhle der vergessenen Träume 3D

Dokumentarfilm | Frankreich/Kanada/USA/Großbritannien/Deutschland 2010 | 89 Minuten

Regie: Werner Herzog

Dokumentarfilm von Werner Herzog über die Chauvet-Höhlen in Frankreich, in denen bis zu 30.000 Jahre alte Tierzeichnungen zu sehen sind. Angereichert mit ins Skurrile spielenden Experteninterviews, bieten sich spektakuläre Einblicke in den Höhlenraum, wobei der Film nicht nur dank der 3D-Bilder eine enorme Sogwirkung entwickelt, sondern auch wegen der Diskurse, die Herzog an seinem Erleben der Bilder festmacht. So geht es in seinem sehr persönlichen Essayfilm um die Bedeutung der Malereien für ihre urzeitlichen Schöpfer, aber auch darum, was das Menschsein an sich ausmacht, sowie um das Verhältnis des Menschen zur Natur, zur Kultur und zu sich selbst. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CAVE OF FORGOTTEN DREAMS
Produktionsland
Frankreich/Kanada/USA/Großbritannien/Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Creative Differences/History Films/Werner Herzog Filmprod./Arte France
Regie
Werner Herzog
Buch
Werner Herzog
Kamera
Peter Zeitlinger
Musik
Ernst Reijseger
Schnitt
Joe Bini · Maya Hawke
Länge
89 Minuten
Kinostart
03.11.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Gut 50 Jahre lang galten die Wandmalereien in der Höhle von Lascaux im französischen Departement Dordogne als die ältesten Zeugnisse künstlerischen Schaffens in der Geschichte der Menschheit. Doch dann machten Hobbyforscher am 18. Dezember 1994 in den Cevennen einen noch sensationelleren Fund: Im Tal der Ardèche stießen sie auf eine Höhle mit über 400 Malereien, die vor mehr als 30.000 Jahren entstanden und damit doppelt so alt sind wie die von Lascaux. Dass die Bilder obendrein außerordentlich gut erhalten sind, verdankt sich dem Umstand, dass ein Erdrutsch den Zugang zur Höhle von der Außenwelt abgeschlossen hat, wodurch die Artefakte ohne schädigende Einflüsse von außen überdauerten. Anders als in Lascaux, wo die Funde 15 Jahre lang der Öffentlichkeit zugänglich waren, bis Wissenschaftler Alarm schlugen, da die Atemluft der Besuchermassen den Bildern zusetzte, darf die nach einem ihrer Entdecker „Chauvet-Höhle“ benannte Stätte deshalb auch nur von einigen Forschern betreten werden. Werner Herzog ist es in langen Verhandlungen mit dem französischen Kultusministerium dennoch gelungen, eine exklusive Drehgenehmigung für die Höhle zu erhalten. Was die Dokumentation schon insofern schon zur Sensation macht, als sie dieses unterirdische Mirakel erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorstellt. Um die Eindrücke seiner Begehung möglichst plastisch zu vermitteln, hat Herzog den Film überdies in 3D gedreht, obwohl die Enge der Höhle und der Umstand, dass sie nur auf schmalen Metallstegen begangen werden durfte, lediglich den Einsatz kleiner Handkameras erlaubte. Herzog ist clever genug, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern zunächst einen ordentlichen Spannungsbogen aufzubauen. Deshalb lässt er die Kamera durch Weinreben schweben, zeigt die Schönheiten des Tals der Ardèche und macht sich dann erst mit einigen Begleitern auf den Weg zur Höhle, die von einer massiven Stahltür verschlossen ist. Deren Öffnung wird als geradezu magischer Moment inszeniert; kaum hat Herzog jedoch einen Fuß ins Innere der Höhle gesetzt, verharrt er und erläutert ausführlich die schwierigen Produktionsbedingungen und die eingesetzte Technik. Wenn die Kamera dann endlich den Blick auf jene Kohlezeichnungen freigibt, taucht man in eine faszinierende Steinzeitgalerie mit Bildern ein, die in ihrer Schlichtheit von bemerkenswerter Schönheit sind. Immer wieder wandert der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven über die Darstellungen von Pferden, Bären und Löwen, wobei die 3D-Technik die Illusion vermittelt, als stände man persönlich in der Höhle. Dass von Calzit überzogene Skelette längst ausgestorbener Tierarten den Boden bedecken, verkommt darüber fast zur Nebensächlichkeit. Doch Herzog wäre nicht Herzog, wenn er sich über die urzeitlichen Gemälde nicht seine ureigensten Gedanken machen würde. Im Bild eines Büffels mit acht Beinen entdeckt er das Bemühen des Malers, Bewegung und Dynamik sichtbar zu machen. Eine frühe filmische Form, die sich Herzog, der seine assoziativen Kommentare mal aus dem Off, mal direkt in die Kamera spricht, nicht entgehen lässt. Primär kreisen seine Gedanken jedoch um Spekulationen, was die frühen Menschen wohl zu ihrem künstlichen Schaffen animiert haben mag. Diese Kommentare sind vielfach von Herzogs eigenwilligem Pathos und Sprachduktus getragen. Eine Tierart ist deshalb nicht schlicht ausgestorben, sondern „vom Antlitz der Erde verschwunden“. Der Eindruck der Erhabenheit der Höhle und ihrer Malereien vermittelt sich immer dann am stärksten, wenn Herzog schweigt und die Kamera kommentarlos an den Wänden entlang gleitet. Zwischen den einzelnen Gängen durch die Höhle spricht der Regisseur mit Forschern über die Bedeutung dieser Entdeckung oder versucht sich selbst im Schleudern einer steinzeitlichen Waffe. Die eigentliche Faszination des Dokumentarfilms machen neben der Exklusivität seines Gegenstands freilich jene Bilder aus, die vor mehr als 30.000 Jahren auf steinerne Wände gemalt wurden.
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