Endlich - Vom Leben mit den Toten

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 80 Minuten

Regie: Katja Dringenberg

Dokumentarfilm über den Umgang mit Tod und Sterben, der anhand unterschiedlicher Beispiele und in Interviews mit Menschen, die beruflich oder privat mit dem Sterben oder mit Toten zu tun haben, den Umgang mit Verstorbenen beobachtet. Der Film rührt auch an spirituelle Fragen und beeindruckt durch den Facettenreichtum, mit dem das tabuisierte Thema aufbricht; er regt zum Nachdenken über das eigene Verhältnis zu Tod und Sterblichkeit an. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Herbstfilm Prod./RBB
Regie
Katja Dringenberg · Christiane Voss
Buch
Katja Dringenberg · Christiane Voss
Kamera
Hans Rombach
Musik
Xaver von Treyer
Schnitt
Katja Dringenberg · Christiane Voss
Länge
80 Minuten
Kinostart
03.11.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Den Tod dokumentieren, das ist Science Fiction. Keine Kamera wird je die letzte Reise begleiten können. Oder doch? In Douglas Trumbulls „Projekt Brainstorm“ (1983) gelingt es Wissenschaftlern, menschliche Gedanken, Emotionen und Erlebnisse aufzuzeichnen und auf andere Personen zu übertragen. Als eine Kollegin ihm die Aufzeichnung ihres eigenen Sterbens hinterlässt, macht sich der Held auf den Weg ins Jenseits, für das Trumbull auf recht kitschige Bilder zurückgreift. Der Essayfilm „Endlich“ von Katja Dringenberg und Christiane Voss dreht sich weder um solche spekulative Expeditionen noch um andere Variationen des Orpheus-Mythos. Der Titel deutet bereits an, dass mit Jenseitsvorstellungen sparsam umgegangen wird. „Irgendeine Fantasie hat jeder“, sagt ein Bestattungsunternehmer im Interview. Der Film widmet sich vor allem dem Weg der sterblichen Überreste, also einer – wenn auch gern verdrängten – Alltagsrealität, sowie dem Umgang der Lebenden mit dem Wissen um ihre Endlichkeit. Eine eindringliche Form für O-Töne aus dem Buch „Noch mal leben vor dem Tod. Wenn Menschen sterben“ finden Dringenberg und Voss, indem sie – wie im antiken Theater – Sätze Sterbender von Sprechchören rezitieren lassen. Worte von mal tröstlicher, mal beunruhigender Wirkung: „Es fühlt sich an, als ob mein Körper von einem bösen Tier aufgefressen wird“, wird eine Hospiz-Patientin zitiert, wobei es einem kalt den Rücken herunter läuft. Der Film vermag zu verunsichern – nicht zuletzt jene, die einen souveränen Umgang mit den letzten Dingen zu pflegen meinen. Wenn er mit der Trauer und Angst von Teilnehmern einer so genannten Systemaufstellung konfrontiert – eines therapeutischen Rollenspiels zur Problembewältigung –, deutet sich an, dass zwischen Theorie und Praxis ein Abgrund liegt. Die Theorie erschöpft sich im wohlfeilen Spruch „Alles hat ein Ende“; die Praxis beginnt in dem Moment, in dem man mit Krankheit und Sterben selbst oder in unmittelbarer Umgebung konfrontiert ist. „Endlich“ nähert sich seinem Themenfeld mit beeindruckendem Facettenreichtum. Im Zentrum steht die würdige Behandlung der Toten. So ist im Prolog ein Sprecher zu hören, der sich an einen entflohenen Sexualstraftäter erinnert, der sich auf dem Grundstück des Sprechers das Leben genommen hat. Eine Ägyptologin erläutert den Umgang mit den Mumien des Ägyptischen Museums zu Berlin – und diskutiert das Dilemma, dass die Leichen ihres kultischen Zusammenhangs beraubt sind. Das Lehrzentrum Münnerstadt ist die einzige Bestatterschmiede Europas; dort gibt es Einblicke in Lehrfriedhof, Übungskapelle, Hygieneraum und Werkstatt. Die Filmemacherinnen zeigen ein Kinderbegräbnis zu Lehrzwecken und lassen eine professionelle Grabrednerin zu Wort kommen. So faszinierend wie ernüchternd wirken die Abläufe im vom Star-Architekten Axel Schultes erbauten Krematorium Berlin, Baumschulenweg. Roboter regeln die Abläufe der Totenbehandlung bis zu ihrer Verbrennung. (Fast) am Ende drückt ein Arbeiter den Knopf, auf dem „Knochenmühle“ geschrieben steht. „Für mich ist Klappe zu und aus“, wischt ein Kollege jede Jenseitsvorstellung vom Tisch. Was wenig wundert, angesichts seines nüchternen Arbeitsumfelds. Doch Meinungen wandeln sich, bis zum Schluss. „Endlich“ ist Teil einer Trilogie, die mit dem Dokumentarfilm „Ich Dich auch“ (2005) zum Thema Liebe ihren Anfang genommen hat. Der dritte Teil soll sich mit „Freundschaft“ und all den damit verbundenen Aspekten beschäftigen.
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