Die Mühle und das Kreuz

- | Schweden/Polen 2011 | 95 Minuten

Regie: Lech Majewski

Eine "Verfilmung" des Gemäldes "Die Kreuztragung Christi" (1564) von Pieter Brueghel dem Älteren, in das der Maler und ein befreundeter Kunstsammler hineinversetzt werden. Dabei entfaltet sich um ihn, seine Familie sowie diverse (Neben-)Figuren ein visionäres Panorama um die conditio humana in einer Welt, in der das Bild des Gekreuzigten eher als Menetekel einer sich selbst zerfleischenden Menschheit denn als Erlösungszeichen scheint. Zugleich reflektiert der ebenso eigenwillige wie höchst faszinierende Film die Rolle des Künstlers als Beobachter und Kommentator des Weltgeschehens. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MILL AND THE CROSS | MLYN I KRZYZ
Produktionsland
Schweden/Polen
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Silesia Film/Freddy Olsson/Telewizja Polska/Bokomotiv Filmprod./Odeon Studio/24 Media/Supra Film/Arkana Studio/Piramida Film
Regie
Lech Majewski
Buch
Michael Francis Gibson · Lech Majewski
Kamera
Lech Majewski · Adam Sikora
Musik
Lech Majewski · Jozef Skrzek
Schnitt
Eliot Ems · Norbert Rudzik
Darsteller
Rutger Hauer (Pieter Brueghel) · Michael York (Nicholas Jonghelinck) · Charlotte Rampling (Mary)
Länge
95 Minuten
Kinostart
24.11.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Hin und wieder begegnet man Filmen, die sind betörend anders. Viele solche Filme – „Avatar“ (fd 39 663), „The Matrix“ (fd 33 720) – faszinieren mittels technischer Innovation. Andere tun es bescheidener. Indem sie das Spiel mit dem Medium, der Gattung auf die Spitze treiben – so wie „Die Mühle und das Kreuz“ von Lech Majewski, der bislang eher in Experimentalfilmkreisen bekannt ist. 2006 ehrte ihn das Museum of Modern Art New York in der Retrospektive „Lech Majewski: Conjuring the Moving Image“ als Zauberer der bewegten Bilder. Dem Genre nach handelt es sich bei „Die Mühle und das Kreuz“ nun um eine „Gemälde-Verfilmung“, wie Peter Webbers „Das Mädchen mit dem Perlohrring“ (fd 36 674) nach einem Bild von Jan Vermeer; in seiner raffinierten Überspitzung allerdings ist Majewskis Werk als eigentliches filmisches Tableau vivant zu bezeichnen. Zugrunde liegt dem Film „Die Kreuztragung Christi“ von Pieter Brueghel dem Älteren, eine, salopp umschrieben, ins Flandern der Inquisitionszeit übertragene Passionsdarstellung, entstanden 1564. Zu sehen sind darauf verschiedene kleinere (Alltags-)Szenen mit über 500 Figuren. Einiges ist auf den ersten Blick erkennbar: die Inquisitoren, der unterm Kreuz zusammengebrochene Christus, zwei zum Tode Verurteilte, sowie, etwas hervorgehoben, Maria, Magdalena und Johannes. Mit Breughels Gedanken zur Gestaltung dieser Dreiergruppe beginnt der Film. Anders aber als man erwarten könnte, sitzt Breughel dabei nicht vor einer Staffelei, sondern schlendert im Gespräch mit dem Kunstsammler Nicholas Jonghelinck über den Schauplatz des Geschehens. Dadurch gerät Breughel in sein eigenes Gemälde hinein, wird der Künstler zu seiner eigenen Figur: welch schwindelerregende Vision, die umso eindrücklicher ist, da man als Betrachter mit dem Maler zusammen quasi ins Bild hineinfällt. Tatsächlich ist der Film (er verdankt seinen Titel einem Buch von Michael Francis Gibson, das Breughels Bild eingehend interpretiert) ein betörend schönes Werk, das in kleinen Szenen das Geschehen in den Stunden vor und nach dem im Gemälde festgehaltenen Moment schildert. Im Fokus steht ein Dutzend Personen: der Maler, seine Frau und Kinder, ein altes Müllerpaar, zwei Liebende, die ein Kalb zum Markt bringen. Eine Gruppe Musikanten gaukelt durch den Tag. Die Kinder spielen, kichern, kreischen. Das Mühlrad ächzt. Ein Baum wird gefällt. Immer und überall tauchen die roten Reiter auf. Sie jagen, fesseln, foltern den Liebenden, binden ihn auf ein Rad, setzen ihn den Raben vor: Brutal ist das und makaber, wie die Kreuzigung – Blitz und Donner! – später auch. In Neuseeland, Österreich, Polen, der Tschechischen Republik hat Majewski Breughels Landschaften gesucht; zum Teil vor Ort, zum Teil vor Blue-Screen gedreht; für den Hintergrund hat er Breughels Bild lebensgroß nachgemalt. Die dritte Sprechrolle gehört der Muttergottes, die mit Jesus‘ Schicksal hadert. Zusammen mit Jonghelincks Bemerkungen über die Inquisition und Breughel Bilderklärungen bildet ihre Rede den Kommentar sowohl zum Film als auch zum Bild. Alle anderen menschlichen Äußerungen (die Tonspur des Filmes wäre eine eigene Abhandlung wert) sind mehr oder weniger onomatopoetisches Gemurmel. Ein wunderbar eigenwilliger Film – Breughel bestmöglich auf Leinwand gebracht!
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