Bessere Zeiten

Drama | Schweden/Dänemark/Finnland/Norwegen 2010 | 100 Minuten

Regie: Pernilla August

Am Sterbebett ihrer Mutter muss sich eine Frau ihrer Vergangenheit stellen: Aufgewachsen als Tochter einer nach Schweden immigrierten finnischen Arbeiterfamilie, erfuhr sie Unordnung und frühes Leid. Die Trunksucht der Eltern und der Tod des kleinen Bruders lasten auf ihrer Psyche. Erst die schmerzhafte Odyssee durch die Hölle der Erinnerungen vermag eine seelische Heilung einzuleiten. Das atmosphärisch dichte Regiedebüt überzeugt durch die dramaturgisch geschickte Verflechtung von Gegenwart und Rückblenden, die eindringliche Kameraarbeit sowie außerordentliche schauspielerische Leistungen. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SVINALÄNGORNA
Produktionsland
Schweden/Dänemark/Finnland/Norwegen
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Drak Film/Hepp Film/Kamoli Films//Blind Spot Pic./Film I Skåne & Ystad Österlen Film Fonds/SVT/Nordisk Film Prost Prod./Nordsvensk Filmunderhållning Nr 7
Regie
Pernilla August
Buch
Pernilla August · Lolita Ray
Kamera
Erik Molberg Hansen
Musik
Magnus Jarlbo · Sebastian Öberg
Schnitt
Åsa Mossberg
Darsteller
Noomi Rapace (Leena) · Ola Rapace (Johan) · Outi Mäenpää (Aili) · Ville Virtanen (Kimmo) · Tehilla Blad (Leena als Kind)
Länge
100 Minuten
Kinostart
08.12.2011
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Die ersten Bilder suggerieren eine glückliche Familie. Leena hat Geburtstag; ihr Mann Johan und die beiden Kinder schlagen ein gemeinsames Frühstück im Bett vor. Ein Telefonanruf zerstört die Idylle: Das Krankenhaus aus Leenas Heimatstadt meldet sich mit der Nachricht, dass ihre Mutter nur noch wenige Stunden zu leben habe. Johan drängt, sie zu besuchen, obwohl er sie gar nicht kennt; Leena hat ihre Mutter komplett aus der Erinnerung verdrängt und vor Johan sogar verheimlicht. In ihrem Regiedebüt „Bessere Zeiten“ lässt Pernilla August die Narben einer Vergangenheit aufbrechen, die alles andere als harmonisch gewesen ist. In Rückblenden, die immer wieder in die Handlung des Gegenwartstages einbrechen, skizziert sie Leenas frühe Jugend als ein Wechselbad aus Hoffnung und Verzweiflung. Der Film nimmt dabei stets die Perspektive der Hauptfigur ein, als Erwachsene wie als Kind, das hautnah mit den existenziellen Konflikten seiner Eltern konfrontiert ist. Leenas Vater, ein Metallarbeiter, hat gemeinsam mit seiner Familie die finnische Heimat verlassen, um in Schweden sein Glück zu suchen. Doch seine Labilität und die Minderwertigkeitskomplexe, die nicht zuletzt in der Herkunft wurzeln, lassen ihn so heftig an sich zweifeln, dass er regelmäßig dem Alkohol verfällt. Der Film macht diese Abstürze auch optisch erfahrbar: Die neue, saubere Wohnung, die voller Stolz in Besitz genommen wird, verwandelt sich in ein dunkles, schmutziges Verlies, in dem sich nichts zum Guten wenden kann. Neben dem krankhaft süchtigen Vater versagt auch die Mutter, die sich ebenfalls dem Trunk ergibt, alles Hässliche schön redet und sich und ihren Kindern eine Zuversicht predigt, deren Quelle längst versiegt ist. „Bessere Zeiten“ ist das schonungslose Psychogramm eines familiären Teufelskreises, aus dem jeder Einzelne seine eigenen Fluchtmöglichkeiten filtert. Die Eltern ergeben sich dem Alkohol, der kleine Sohn verweigert Essen und Sprache, Zeichen einer frühen Todessehnsucht. Leena, die Stärkste von allen, verwandelt ihre Wut in Hochleistungen beim Schwimmen: Nur hier, im Wasser, kann sie zu sich selbst finden. Bezeichnend für ihren Willen, der Misere zu entkommen, sind zugleich ihre aus dem Off gesprochenen Lexikonzitate: Solche Übungen im Erklären von Worten vermitteln ihr jenen Halt, den sie sonst nicht hat. In der Hauptrolle der erwachsenen Leena, die noch einmal durch die Hölle der Erinnerung muss, um der Mutter vergeben zu können, überzeugt Noomi Rapace; ihre Tränen, die ersten während der Handlung überhaupt, deuten am Ende auf die einsetzende Trauerarbeit und den Beginn einer seelischen Heilung hin. Zu der emotionalen Kraft des Films tragen auch Tehilla Blad als junge Leena und Outi Mäenpää als Mutter bei, die den Zwiespalt ihrer Figur, das Changieren zwischen Liebe, Verzweiflung und barmherziger Lüge auf eindringliche Weise zu umreißen vermag.
Kommentar verfassen

Kommentieren