Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 91 Minuten

Regie: Volker Meyer-Dabisch

Zwei Männer, Mitte der 1950er-Jahre als Söhne deutscher Mütter und farbiger US-amerikanischer Väter geboren, geben Einblicke in ihre Biografien. Von weiten Teilen der Gesellschaft als "Kinder der Schande" stigmatisiert, führte das frühe Leid zu einer lebenslangen inneren Unruhe, zu Zorn, Depression und explosiven Ausbruchsversuchen. Ganz auf die beiden Protagonisten konzentriert, beschreibt der Dokumentarfilm ebenso berührend wie erhellend die als offene Wunde erkannte Wurzellosigkeit, die Sehnsucht nach Anerkennung und die Suche nach der eigenen Identität. Zugleich erinnert er an die Lebenswege von rund 5.000 "Mischlingskindern", deren Schicksale bis heute noch tabuisiert werden. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Karl Handke Filmprod.
Regie
Volker Meyer-Dabisch
Buch
Karen Lönneker
Kamera
Andreas Gockel
Schnitt
Volker Meyer-Dabisch
Länge
91 Minuten
Kinostart
15.12.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb

Diskussion
Udo und Herbert wurden Mitte der 1950er-Jahre im bayerischen Frauengefängnis Aichach geboren. Hier waren ihre Mütter zur Verbüßung von Haftstrafen eingesperrt; ihre farbigen Väter leisteten den Armeedienst als US-Soldaten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Jungen, so niedlich sie auch aussahen, galten in den Familien und deren Umfeld als „Kinder der Schande“ und erfuhren eine entsprechende Behandlung. Udo wurde im Zuge des „Brown Baby Plans“ zur Adoption in die USA freigegeben, erhielt den Namen Rudi und erfuhr erst mit 17 Jahren von seiner Herkunft. Herbert geriet in die Familienhölle seines faschistoiden Großvaters, der ihn fast zu Tode prügelte. Rudi versank in einem Sumpf aus Drogen, Kriminalität und Obdachlosigkeit. Herbert wuchs in Kinderheimen auf, getrennt von der Schwester, die er bis heute sucht. Volker Meyer-Dabisch („Love, Peace & Beatbox“, fd 38 922) öffnet mit den Biografien der beider Männer den Blick auf ein Tabu der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte: den Umgang mit so genannten Mischlingskindern. Rund 5.000 zwischen 1945 und 1955 geborene Mädchen und Jungen sahen sich auf diese Weise stigmatisiert; bis hin zum Bundestag wurden sie als „menschliches und rassisches Problem besonderer Art“ bezeichnet. Indem Meyer-Dabisch seine beiden Protagonisten in langen, behutsamen Einstellungen erzählen lässt, ihnen ausreichend Raum für ihre Reminiszenzen und Gefühle gibt, macht er erfahrbar, wie viel Schmerz noch immer in den Männern steckt, und wie das frühe Leid zu einer lebenslangen inneren Unruhe, zu Zorn, Depression und explosiven Ausbruchsversuchen führte. Der Film verzichtet darauf, historische Aufnahmen einzublenden, Zeitzeugen zu befragen oder gar nachgespielte Szenen aus der Kindheit einzufügen. Selbst ein Zitat aus Robert A. Stemmles 1952 gedrehtem, sentimental-verlogenem „Toxi“ (fd 1949), dem ersten und für lange Zeit einzigen bundesdeutschen Spielfilm zum Thema, wird konsequent ausgespart. Stattdessen umreißen die Kameramänner Andreas Gockel und Günter Berghaus das Lebensumfeld der Befragten, beobachten Herbert beim Frisbee-Spiel in einem Berliner Park, das für ihn ein Symbol der Freiheit darstellt, oder Rudi während seiner Arbeit als Sozialhelfer in London. Vom sonstigen Privatleben ist keine Rede: Die intimen Momente gelten stets den Männern selbst, nicht deren Freunden und Bekannten; der Film geht so weniger in die Breite, dafür mehr in die Tiefe, gräbt in einem gemeinsamen Prozess nach Verborgenem, Verschüttetem, Verdrängtem. „Open Souls“ thematisiert die als offene Wunde erkannte Wurzellosigkeit, die Sehnsucht nach Anerkennung und die Suche nach der eigenen Identität. Er konzentriert sich auf zwei Schicksale und stellt doch auch die Frage nach den Lebenswegen einer ganzen Generation. Das ist so berührend wie erhellend und macht deutlich, dass noch längst nicht alle Geschichten aus der jüngeren deutschen Historie erzählt sind.
Kommentar verfassen

Kommentieren