The Ides of March - Tage des Verrats

Drama | USA 2011 | 101 Minuten

Regie: George Clooney

Für einen ehrgeizigen jungen Wahlkampfmanager, der die Kampagne eines demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten mitgestaltet, stellt seine Arbeit eine Herzensangelegenheit dar. Versuche der Gegenseite, ihn ins eigene Team zu locken, scheinen aussichtslos, bis dann doch Loyalitäten und Verlässlichkeiten untergraben werden. Anhand eines vorzüglichen Darsteller-Ensembles, dem die Kamera immer wieder anteilnehmend nahe rückt, studiert der Film seine politischen Akteure als Menschen, die im spannungsvollen Spiel der Interessen mit den Grenzen ihrer Integrität konfrontiert werden. Der ruhig entwickelte, mit furiosen Dialogen glänzende Film lotet an der Schnittstelle von Polit-Thriller und Drama die Grauzone zwischen politischen Idealen und "Machbarkeiten" aus. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE IDES OF MARCH
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Cross Creek Pic./Exclusive Media Group/Smoke House/Appian Way
Regie
George Clooney
Buch
George Clooney · Grant Heslov · Beau Willimon
Kamera
Phedon Papamichael
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Stephen Mirrione
Darsteller
Ryan Gosling (Stephen Myers) · George Clooney (Mike Morris) · Evan Rachel Wood (Molly Stearns) · Marisa Tomei (Ida Horowicz) · Philip Seymour Hoffman (Paul Zara)
Länge
101 Minuten
Kinostart
22.12.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Politthriller
Externe Links
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Diskussion
Mike Morris ist der beste Präsidentschaftskandidat, den sich linksliberale Amerikaner nur wünschen können. Er steht für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, für militärische Zurückhaltung, für strikteren Umweltschutz, sogar für die Trennung von Religion und Politik. Diese Positionen, zu denen sich in den USA kaum ein demokratischer Amtsbewerber unumwunden bekennen mag, vertritt der gut aussehende Charismatiker nicht nur standhaft, sondern auch eloquent. Weshalb er sogar die passende Antwort auf jene Journalistenfrage parat hat, die Michael Dukakis nach Ansicht vieler Beobachter 1988 die Präsidentschaft kostete: Ja, selbst im Falle einer Vergewaltigung und Ermordung der eigenen Ehefrau wäre er noch gegen die Todesstrafe, gibt Morris zu Protokoll. Aber er ist geschickt genug, der konsequenten Aussage einige markige, persönliche Worte voranzustellen, die verhindern, dass er dabei aufs Wahlvolk so gefühlskalt wirkt wie einst der demokratische Kontrahent von Bush Senior. Zumindest vordergründig ist es also ein Idealtyp, den George Clooney als Darsteller in seiner vierten Regie-Arbeit verkörpert. „The Ides of March – Tage des Verrats“ knüpft damit an eine lange Tradition Hollywoods an, das von „Der Kandidat“ (fd 12 812) bis zur Fernsehserie „West Wing“ dem linksliberalen Teil des US-amerikanischen Publikums attraktivere politische Kandidaten anbot, als es die Demokratische Partei je vermochte. Wie jene Vorbilder ist dieser Film allerdings nicht nur von politischer Leidenschaft beseelt, sondern auch von den Winkelzügen hinter den Kulissen des Politbetriebs fasziniert. Als Protagonist agiert deshalb ein brillanter junger Wahlkampfmanager, Stephen Myers, der von seinem Kandidaten aufrichtig überzeugt ist, aber keineswegs vor miesen Tricks zurückschreckt, um den aussichtsreichsten Konkurrenten beim demokratischen Vorwahlkampf auszumanövrieren. Wenn Myers sich auf die sexuellen Avancen einer jungen Wahlkampfhelferin einlässt, deren Vater Vorsitzender der Demokraten ist, beginnt ein Thriller-Plot, der in seiner Unterkühltheit erahnen lässt, dass ein Bühnenstück (verfasst vom Co-Autor des Drehbuchs, Beau Willimon) als Vorlage diente. Die gedämpften, oft dunklen Farben beschwören Erinnerungen an die Verschwörungsthriller der 1970er-Jahre herauf; doch die scheinbar simple Dramaturgie, bei der es letztlich auf Worte, Blicke und Gesten ankommt, erinnert auch an die unaufgeregten Thriller von David Mamet, allen voran an „Die unsichtbare Falle“ (fd 33 377). Während Philip Seymour Hoffman und Paul Giamatti dabei die Hemdsärmeligkeit von Polit-Haudegen verkörpern, ist Clooney uneitel genug, Ryan Goslings hinreißend schläfrigen Charme herauszustellen. Vor allem aber gelingt es Evan Rachel Wood, die erotische Koketterie so dick aufzutragen, dass man sich fragt, ob das jugendliche Unerfahrenheit oder aber Hintergedanken spiegelt. Mit einigen ominösen Telefonanrufen, Nebenbemerkungen in Hotelbetten und Getuschel an Kneipentresen gelingt es höchst geschickt, Spannung aufzubauen und Zuschauererwartungen zu lenken, sodass „The Ides of March“ als Genrefilm ganz prima funktioniert. Allerdings muss man einen Film von Hollywoods Vorzeige-Linksliberalen Clooney auch als politischen Debattenbeitrag verstehen. Und der weist einen zentralen Denkfehler auf. Diesen kann man freilich nicht diskutieren, ohne Plotwendungen zu verraten. So sollte man an dieser Stelle nur weiterlesen, wenn man den Film schon gesehen hat, dessen Handlungsverlauf letztlich das gängigste Vorurteil übers politische Geschäft bestätigt: dass es nämlich den Charakter verderbe. Weil das viele ohnehin glauben, ist es eigentlich müßig, es den Politikern stets aufs Neue vorzuwerfen – und sei es in Gestalt eines formal sehr gelungenen Films. Ergiebiger wäre eine Diskussion, welche charakterlichen Schwächen beim politischen Personal tolerierbar sind. Eine solche Differenzierung lag dem Galgenhumor zugrunde, mit dem viele US-Demokraten den Unterschied zwischen Bill Clinton und George W. Bush kommentierten: Ein US-Präsident, so lautete der oft wiederholte Spott, könne sein Land ungestraft in illegale Kriege und in den Bankrott stürzen, bloß mit einer Praktikantin dürfe er sich um Himmels willen auf keinen Fall einlassen. Genau diesen sarkastischen Spruch hält Myers seinem Kandidaten an entscheidender Stelle vor, wobei er kurioserweise einen moralischen Vorwurf verbindet. Clooneys Film regt sich über etwas auf, was in „Der Kandidat“ noch als Nebensächlichkeit abgetan wurde, die niemanden etwas angehe: dass verheiratete Politiker mitunter Schürzenjäger sind. Nun muss man keineswegs den nonchalanten Sexismus von Franklin J. Schaffners Film teilen, um dessen Position zu verstehen; man sollte sich sogar daran stoßen, dass Morris seine Position ausnutzt, um mit einer Untergebenen Sex zu haben. Zugleich aber muss man die junge Frau doch auch als autonome Erwachsene betrachten, die ihre Partner souverän wählt, zumal sie zu Protokoll gibt, „nicht so betrunken“ gewesen zu sein. Dass sie sich in der Folge zu einer Abtreibung gezwungen sieht und an deren Folgen offenbar zerbricht, ist tragisch; aber der Plot lässt keinen Zweifel, dass Morris davon nichts wusste. Deshalb müsste, um es provokant zu formulieren, eigentlich jeder, der sich zu Beginn des Films von Morris politisch angesprochen fühlt, ihn bis zuletzt als veritablen Wunschkandidaten betrachten. Denn worauf es ankommt, ist doch, dass dieser Kerl unvermindert engagiert und intelligent jene Positionen vertritt, für die man selbst steht. Dass er sich privat als „Sünder“ entpuppt, ist unangenehm, könnte einem politisch denkenden Bürger aber schlicht gleichgültig sein.
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