Gatos viejos - Old Cats

Drama | Chile/USA 2010 | 90 Minuten

Regie: Sebastián Silva

Ein betagtes Ehepaar, das das Alt-Sein als Last empfindet, erhält Besuch von der Tochter und deren Geliebter, die es auf die Stadtwohnung und das Geld der alten Leuten abgesehen haben. Es entwickelt sich ein zermürbender Kleinkrieg, bei dem die alte Frau wegen zunehmender Demenz immer wieder ins Hintertreffen zu geraten droht. Ein um äußersten Realismus bemühter Film, der sich nur vordergründig um Geld- und Wohnungsfragen dreht und im Kern vom Verlust von Zärtlichkeit und Liebe sowie den damit verbundenen Verletzungen handelt. Ein beachtliches Kammerspiel, glänzend inszeniert und gespielt, das freilich einiges an Durchhaltevermögen fordert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GATOS VIEJOS | OLD CATS
Produktionsland
Chile/USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Elephant Eye Films
Regie
Sebastián Silva · Pedro Peirano
Buch
Sebastián Silva · Pedro Peirano
Kamera
Sebastián Silva
Schnitt
Gabriel Díaz
Darsteller
Bélgica Castro (Isidora) · Claudia Celedón (Rosario) · Catalina Saavedra (Hugo) · Alejandro Sieveking (Enrique) · Alejandro Goic (Manuel)
Länge
90 Minuten
Kinostart
05.01.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
„Nein. Ich will nicht!“, lauten die ersten Worte, die Isidora in „Gatos Viejos“ von sich gibt. Es ist früher Morgen. Isidora, hervorragend gespielt von der über 90-jährigen Theaterschauspielerin Bélgica Castro, liegt neben ihrem Lebenspartner Enrique im Bett, der von ihrem eigenen Ehemann Alejandro Sieveking gespielt wird. Eigentlich möchten die beiden Alten einen gemütlichen Tag zu Hause verbringen. Doch „Ich will nicht“ wird Isidora noch öfter sagen, und das irritiert. Enrique bloß ein wenig, die Zuschauer etwa mehr. „Gatos Viejos“ ist keine Wohlfühlkost, aber irgendwie doch berührend, sonst würde man nicht derart heftig auf diesen Film reagieren. Denn er erzählt nicht vom Altwerden, sondern vom Alt-Sein. Und er handelt davon, dass dieses Alter, das einem zum Frühstück ein halbes Dutzend Pillen serviert, ungemein beschwerlich ist. So, dass man es nicht ertragen will oder kann, wie Isidora, die mit ihrem Enrique in einer ebenfalls schon etwas in die Jahre gekommenen, aber recht prächtigen Wohnung mit Terrasse und Aussicht in Santiago de Chile lebt. Diese Wohnung im achten Stock ist Heim und Gefängnis zugleich. Denn wenn, wie an diesem Tag, der Lift seinen Dienst versagt, kann die von Hüftschmerzen geplagte Isidora ihre Wohnung nicht verlassen. Per Telefon kündigt auch noch ihre Tochter Rosario ihren Besuch an, und das verheißt nichts Gutes: Tatsächlich ist Rosario, gespielt von Claudia Celedón, eine richtige Rabentochter. Furios kommt sie daher, beharrt darauf, dass Isidora und Enrique ihre beiden alten Katzen in ein Zimmer sperren: ihre Allergie, die Mutter sollte doch darum wissen! Doch Isidora hat ein anderes, dringlicheres Problem. Sie ist in letzter Zeit vergesslicher geworden, hat erste Zeichen einer Demenz entdeckt, will dies aber der Tochter nicht zeigen. Nicht aus Rücksicht, sondern weil sie misstrauisch ist, und dieses Misstrauen ist durchaus angebracht. Denn sobald sich mit „Hugo“, die eigentlich Beatriz (Caatalina Saavedra) heißt, auch noch Rosarios Geliebte zur Runde gesellt, werden die wahren Beweggründe für den Besuch erkenntlich: Die Jungen, die um die 40 Jahre, also gar nicht mehr so jung sind, wollen den Alten das Appartement abluchsen und darüber hinaus auch noch Geld, um – offensichtlich zum wiederholten Mal – eine abstruse Geschäftsidee umzusetzen. Nein, und nochmals nein, sagen Isidora und Enrique. Doch es ist ein Kampf und Krampf, bei diesem Nein zu bleiben, wenn man wie Isidora plötzlich vergisst, wo und wer man ist und in andere Welten abtaucht. Herb ist das Mutter-Tochter-Drama, das sich nun anbahnt und das sich, auch wenn die leidige Geld- und Wohnungsangelegenheit immer wieder aufflammt, um ganz anderes dreht: eine – vielleicht von allem Anfang an – verfahrene Beziehung, die es doch einzurenken gälte, bevor es zu spät ist. „Gatos Viejos“ erzählt von nicht erhaltener und nicht gegebener Liebe, von Zärtlichkeit, die im Laufe der Jahre abhandengekommen ist. Der Film, in der Wohnung der Hauptdarstellerin gedreht, spielt in der Einheit von Ort, Handlung und Zeit. Tatsächlich gemahnt „Gatos Viejos“ in seiner erschütternden realistischen Darstellungsweise in vielem an die ersten dänischen Dogma-Filme. Wenn man ganz ehrlich wäre, könnte man heute auch zugeben, dass man auch damals schon bisweilen im Kino saß und bei aller Achtung vor solch tapfer der Realität verpflichteter Filmkunst innerlich am liebsten weggesehen hätte. „Gatos Viejos“ stammt übrigens von dem chilenischen Filmemacher-Duo Sebastián Silva und Pedro Peirano, denen mit dem feinziselierten, wie aus dem Leben gegriffenen Hausangestelltendrama „La nana – Die Perle“ (fd 39 916) vor drei Jahren ein äußerst bewegendes Kinoerlebnis gelungen ist.
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