Die geteilte Klasse

Dokumentarfilm | Deutschland/Polen 2011 | 79 Minuten

Regie: Andrzej Klamt

Auf den Spuren seiner ehemaligen Schulklasse im schlesischen Bytom/Beuthen stellt der Filmemacher die Lebenswege von einstigen "Aussiedlern", die in den 1970er-Jahren als Deutschstämmige ihre Heimat verließen und in den Westen emigrierten, jene der polnischen Kameraden gegenüber. In den in Parallelmontagen arrangierten Einzelinterviews geht es dabei stets um Fragen von Heimat, Zugehörigkeit und Identität. Der sehr persönliche, thematisch interessante Dokumentarfilm entfaltet sein Sujet eher unspektakulär, wobei er für die aufgefächerten Schicksale keine allzu aussagekräftigen Bilder findet. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
PODZIELONA KLASA
Produktionsland
Deutschland/Polen
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
halbtotal Filmprod./TheFilm.pl/RBB
Regie
Andrzej Klamt
Buch
Andrzej Klamt
Kamera
Tomasz Michalowski
Musik
Stefan Stoppok
Schnitt
Justin Peach
Länge
79 Minuten
Kinostart
09.02.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
„Von einem auf den anderen Tag war sie weg, einfach nicht mehr da“, erinnert sich ein Mann an eine ehemalige Mitschülerin. So wie dieses Mädchen sollten in den 1970er-Jahren noch mehr Kinder aus der Schule im schlesischen Bytom, dem ehemaligen Beuthen, verschwinden. Diejenigen, die zurück blieben, erfuhren kaum mehr als dass die Familien ihrer Mitschüler nach Westdeutschland ausgewandert waren. Vielen wurde damals erstmals bewusst, dass sie schon immer eine geteilte Klasse gewesen waren; denn während die eine Hälfte der Schüler rein polnische Wurzeln hatte, waren die anderen Nachfahren deutschstämmiger Polen. Letzteren bot sich nach Unterzeichnung der Ostverträge die Möglichkeit, in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln. Auch Filmemacher Andrzej Klamt (geb. 1964) zog 1979 mit seinen Eltern aus Bytom in den „Goldenen Westen“. Wie die meisten Spätaussiedler-Kinder war auch er nach seiner Meinung vorher kaum gefragt worden. „Für mich, gerade frisch verliebt, ging eine Welt unter“, erinnert er sich heute. Für seinen Dokumentarfilm hat Klamt seine ehemaligen Mitschüler in Polen und Deutschland aufgesucht und mit ihnen über ihr Leben und ihre Erfahrungen in den jeweiligen Ländern gesprochen. Dabei offenbart sich, dass sich die deutschstämmigen Kinder zu Schulzeiten als Randgruppe fühlten, die nicht unbedingt von Mitschülern, aber von Lehrern diskriminiert wurde. „Wir waren eben die Deutschen“, erinnert sich einer, der später im Westen die Erfahrung machen musste, trotz deutschen Passes immer „der Pole“ zu sein. Der Filmemacher besucht seine Protagonisten in ihren jeweiligen Wohnungen, begleitet sie zu ihren Arbeitsplätzen oder streift mit ihnen durch die nähere Umgebung. Die Gespräche drehen sich hüben wie drüben fast immer um Fragen wie Heimat und Identität. Man lernt Aussiedler kennen, die alle Verbindungen nach Polen abgebrochen haben („Ich bin 110 Prozent Deutscher!“), während andere trotz relativen Wohlstands erklären, sich in Deutschland noch immer nicht geborgen zu fühlen. Demgegenüber beklagen die meisten Polen, die offenbar allesamt in Bytom geblieben sind, den wirtschaftlichen Niedergang der (Bergbau-)Region oder berichten stolz, wie der Zusammenbruch des Kommunismus ihnen erlaubte, als Geschäftsmänner Karriere zu machen. Bei allen Unterschieden und hie und da erwähnten privaten Krisen wie Scheidungen kommen alle Protagonisten mit dem Leben ganz gut zurecht. Was der unspektakulären Dokumentation mit ihren in Parallelmontage arrangierten Einzelgesprächen eine gewisse Gleichförmigkeit verleiht. Da der Autor bei Archivaufnahmen aus der gemeinsamen Schulzeit lediglich auf ein Fotos zurückgreifen kann, muss er vieles aus Kindertagen im Off referieren, und auch die zwischendurch zu gefälligen Gitarrenklängen wieder eingeschnittenen Panoramabilder aus dem heutigen Bytom sorgen kaum für eine Belebung.
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