Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 92 Minuten

Regie: Gudrun F. Widlok

Die Künstlerin Gudrun F. Widlok stößt das Projekt "Adopted" an, bei dem sich Deutsche in afrikanische Großfamilien hinein adoptieren lassen können. Der amüsant und atmosphärisch dicht entwickelte Dokumentarfilm begleitet drei Menschen unterschiedlicher Altersstufen zu ihren Gastfamilien nach Ghana und beschreibt einen "Clash of Cultures", bei dem traditionelle Vorstellungen von Entwicklungshilfe in ihr Gegenteil verkehrt werden. Über die Auseinandersetzung mit Klischees und Vorurteilen entsteht ein erfrischender Blick auf afrikanische Lebensrealität. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Torero Film/Hanfgarn & Ufer/ZDF
Regie
Gudrun F. Widlok · Rouven Rech
Buch
Gudrun F. Widlok · Rouven Rech
Kamera
Grischa Schmitz
Musik
Matthias Falkenau
Schnitt
Julia Wiedwald
Länge
92 Minuten
Kinostart
01.03.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Der Film beginnt in Deutschland. Das Lebensumfeld der drei Protagonisten wird gezeigt: Thelma radelt durch Berlin, Ludger besucht seine Eltern, Gisela streift, ruhelos seit dem Tod ihres Mannes, durch ihre Mecklenburger Gartenidylle. Als sie jung war, erzählt die 70-Jährige, habe sie „immer in die Entwicklungshilfe gewollt“. Und habe dann über 40 Jahre lang Entwicklungshilfe für nur einen einzigen Menschen geleistet. Sie benennt zu Beginn deutlicher, wonach sie sich sehnt, vielleicht, weil sie sich des impliziten Rassismus weniger bewusst ist als die anderen Protagonisten: nach Menschen, die trotz Armut „ein Strahlen“ im Gesicht haben. Die Patenfamilie, von der Gisela ausgesucht wurde, ist allerdings gar nicht arm. Trotzdem kommt irgendwann das Deutsche in Gisela durch, der „deutsche Beamte“ in ihr, den sie doch so satt hatte: Sie bemitleidet die Ziege, die, an einem Baum festgebunden, nach ihrem Kitz schreit, und beklagt die nächtlichen Gänge zum Außenklo; zudem gebe es im Haus kein fließendes Wasser. Die beiden jüngeren „Adoptivkinder“ zeigen sich zunächst anpassungsfähiger. Die drei Reisen nach Ghana fanden nicht zeitgleich statt, obwohl der Film dies in seiner geschickten Montage perfekt suggeriert; letztlich spielt dies auch keine Rolle. Die Künstlerin bezeichnet das Filmprojekt als „dokumentarische Utopie“. Doch der Zuschauer wird im Zweifel gelassen, was daran dokumentarisch ist und was Utopie. Ist der Schauspieler Ludger vielleicht auch im Film ein Schauspieler? Dass der Schauspieler Niels Bormann im Film als Ludger auftritt, würde darauf hindeuten. Aber selbst dies ist für den durchweg sympathischen Film unwesentlich. Liebevoll blicken Widlok und Rech auf ihre Protagonisten, die Erzählung ist leichtfüßig, amüsant, atmosphärisch dicht. Erfrischend ehrlich inszenieren sie einen versöhnlichen „Clash of Cultures“, der einen unverstellten Blick auf Afrika ermöglicht. Gerade durch die Vorurteile, die von den drei Deutschen artikuliert und reflektiert werden, entsteht ein hohes Maß an Identifikation. Es verwundert deshalb kaum, dass der Aufruf der Künstlerin, sich nach Afrika adoptieren zu lassen, auf so reges Interesse stieß: „Menschen in Europa, denen es materiell und beruflich gut geht, die aber durch ihren individuellen und freiheitsliebenden Lebenswandel kein Familienleben führen, können sich bewerben.“
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