Einer wie ich

- | Schweiz 2011 | 111 Minuten

Regie: Xavier Koller

Die Geschichte des Berner Originals Karl Tellenbach, einen durch eine Hasenscharte verunstalteten Friseur, der seine Kunden gleichwohl blendend unterhielt. Die Neuverfilmung eines Schweizer Filmklassikers ("Dällebach Kari", 1970), die sich gleichzeitig Theaterstücken und Liedern über den Protagonisten annähert und um eine tragische Liebe kreist, die aus Standesdünkel vereitelt wurde. Ein Film voll stiller Melancholie, der keinen Possenreißer in seinen Mittelpunkt stellt, sondern ein tragisch-romantisches Drama erzählt, dabei aber durchaus humorvoll zu Werke geht. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
EINE WEN IIG, DR DÄLLEBACH KARI
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Catpics
Regie
Xavier Koller
Buch
Xavier Koller
Kamera
Felix von Muralt
Musik
Balz Bachmann
Schnitt
Gion-Reto Killias · Rosa Albrecht
Darsteller
Hanspeter Müller-Drossaart (Dällebach Kari) · Carla Juri (Annemarie Geiser) · Nils Althaus (junger Kari) · Bruno Cathomas (Erwin Geiser) · Julika Jenkins (Hannelore Geiser)
Länge
111 Minuten
Kinostart
01.03.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Der Film hat in der Schweiz eine Freigabe "ab 6".

Verleih DVD
Ascot Elite (16:9, DD.5.1 Schweizerdt.)
Verleih Blu-ray
Ascot Elite (16:9, dts-HD Schweizerdt.)
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Diskussion
Die tatsächliche Biografie von Karl Tellenbach kenne man nicht, hat Xavier Koller im Interview gesagt. Bloß die Eckdaten: geboren am 6.4.1877 als jüngstes von acht Kindern im Emmental, gestorben am 31.7. 1931 in Bern. Besonderes Kennzeichen: Lippenspaltung, eine so genannte Hasenscharte. Dazu kommt die Legende, die sich um das Berner Stadtoriginal rankt: dass Karl, Friseur von Beruf, seine Kunden lieber unterhielt als ihnen die Haare zu schneiden. Mit Witzen, die „kitzelten“ und „bissen“, wie der Berner Liedermacher Mani Matter in einem Tellenbach gewidmeten Lied singt. „Dällebach“, sagt man Schweizerisch, und der Vorname „Kari“ wird dem Nachnamen hintendrein gestellt. Ein Film über „Dällebach Kari“ existiert bereits, er wurde 1970 von Kurt Früh gedreht, ein „Klassiker“. Es gibt auch ein Theaterstück sowie ein Musical von Livia Anne Richard, das in den letzten fünf Jahren im Bernischen, aber auch in Zürich aufgeführt wurde. Auf dieser Grundlage hat Xavier Koller seinen Tellenbach-Film gedreht und sich alle Mühe gegeben, diesen zwischen den bestehenden Annäherungen – Theater, Film, Lieder etc. – zu positionieren. „Eine wen iig – dr Dällebach Kari“ beginnt mit der Geburt und endet am Tag von Karls Tod. Er erzählt von der Kindheit: Die Mutter füttert ihr – im Film aus Gründen der Dramatisierung nun mit einem Wolfsrachen statt „nur“ mit einer Hasenscharte versehrtes – jüngstes Kind wie ein Vöglein durch, statt es, wie der Arzt nach der Geburt rüde rät, im Brunnen zu ertränken. Es ist ein leidiges Leben, das Karl führt, in einer Zeit, in der Menschen an solchen Gebrechen oft sterben. Doch die Fürsorge der Mutter ist riesig, Karls Liebe zu ihr übergroß. Der Bub wächst heran und wird (als junger Mann von Niels Althaus verkörpert) in Bern Coiffeur. Auf einem Schwingfest lernt er 22-jährig Annemarie Geiser kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die den beiden widerfährt. Aber da sind diese Scharte, Karls Selbstzweifel und vor allem Annaemaries Vater. Seinen Mund lässt Karl „operieren“. Die Zweifel räumt Annemarie in ihrer einfühlsam-herzlichen Art vom Tisch – Carla Juri spielt so erfrischend liebenswürdig, dass man die „neue Annemarie Blanc“ heranwachsen zu sehen meint. Gegen den großbürgerlich-polternden Vater Geiser aber, der seine Tochter partout nicht unter dem Stand verheiratet sehen will, kommt der beiden Liebe in einer Zeit, in der die Schweizer Frauen nicht einmal das Stimmrecht besitzen, schlicht nicht an. Knapp 30 Jahre lebt Karl nach der Trennung von Annemarie, bevor er sich „himmeltraurig“ das Leben nimmt. Den Selbstmord und die 30 Jahre Erwachsenenleben lässt Kollers Film aus. Er fokussiert auf das Liebesdrama, erzählt dieses – in Erinnerungen eingeholt – an Karls letztem Tag, an dem er sich, ohne dass es die anderen merken, von ihnen verabschiedet. Es ist ein blitzblank herausgeputztes Bern, das Koller hier präsentiert. Der 54-jährige Karl wird, wie jüngst auf der Bühne, von Hanspeter Müller-Drossaart gespielt. Er tut es humorvoll, mit Schalk, vor allem aber mit stiller Melancholie: Ein Possenreiser ist Kollers Tellenbach nicht, und das ist gut; denn so ist der Film vor allem ein wunderschönes tragisch-romantisches, historisches Liebesdrama; und solche werden in der Schweiz nicht oft gedreht.
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