Knerten traut sich

Komödie | Norwegen 2010 | 81 Minuten

Regie: Martin Lund

Ein sechsjähriger Junge in der norwegischen Provinz der 1960er-Jahre meistert gemeinsam mit seinem ebenso skurrilen wie liebenswürdigen Freund Knerten, einem dank der Fantasie des Jungen "lebendiges" Stück Holz, alle Herausforderungen des Alltags und kann mit kriminalistischem Gespür den mysteriösen Fahrradunfall der Mutter aufklären. Die liebenswerte Fortsetzung des norwegischen Kinderfilms "Mein Freund Knerten" (2009) entfaltet ihre Komik aus dem aufmerksam beschriebenen Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenperspektive, wobei sie jederzeit sensibel auf die kindlichen Probleme und Ängste eingeht. - Sehenswert ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
KNERTEN GIFTER SEG
Produktionsland
Norwegen
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
paradox Spillefilm
Regie
Martin Lund
Buch
Birgitte Bratseth
Kamera
Morten Halfstad
Musik
Magnus Beite
Schnitt
Steinbar Stalsberg
Darsteller
Adrian Grønnevik Smith (Lillebror) · Pernille Sørensen (Mutter) · Jan Gunnar Røise (Vater) · Petrus A. Christensen (Philip) · Amalie Blankholm Heggemsnes (Vesla)
Länge
81 Minuten
Kinostart
12.04.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Komödie | Abenteuer | Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Polyband (16:9, 2.35:1, DD5.1 norw./dt.)
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Diskussion
Ein Stück Holz ist nicht immer nur ein Stück Holz. Im Fall von Knerten ist es bester Freund, waghalsiger Abenteurer, Angsthase und Quasselstrippe in einem. Es müssen nicht immer noch größere Kuscheltiere, coolere Spielzeugautos oder niedlichere Puppen sein, um Kinder zu begeistern; bisweilen sind es Kleinigkeiten, die sich zu heißgeliebten Begleitern durch die Kindheit entwickeln. So wäre Knerten nach dem Auslichten eines Baums beinahe im Brennholz gelandet, hätte der kleine Lillebror nicht dessen „Persönlichkeit“ entdeckt und ihn aufgelesen. Seither sind die beiden unzertrennlich und trotzen gemeinsam den Widrigkeiten des Aufwachsens in der norwegischen Provinz. Die Idee, ausgerechnet einen Zweig lebendig werden zu lassen, stammt von der norwegischen Kinderbuchautorin Anne-Catharina Vestly, deren populäre „Knerten“-Reihe (1962-2002) in ihrer Heimat in kaum einem Haushalt fehlt. Nach „Mein Freund Knerten“ (fd 40 515) kommt nun der zweite Teil der Verfilmung ihrer Bücher ins Kino – in Norwegen wie er, wie der Vorgänger, ein Box-Office-Hit. Aus Sicht von Computer-Animatoren mag die Visualisierung von Knerten im Realfilm kein großer Coup sein, einprägsam ist die kuriose Figur indes allemal, und groß sind ihre Abenteuer. Wie im ersten Teil, an den „Knerten traut sich“ unmittelbar anknüpft, ist letzteres allerdings eine Frage der Perspektive. Obwohl alle den schlimmen Fahrradsturz der Mutter für einen Unfall halten, sind Lillebror und Knerten überzeugt: Dahinter steckt ein Verbrechen! Sie begeben sich auf Spurensuche, einzig unterstützt von Vesla, Lillebrors „Prinzessin“ aus Teil Eins, und ihrer neuen Freundin, dem patenten Birkenzweig Karoline. Ein Fundstück am Tatort führt sie in die Werkstatt einer tieftraurigen Automechanikerin und zum kaputten Blinker einer kürzlich ins Dorf gezogenen Frau und ihrem ungezogenen Sohn. Plötzlich scheint der Fall sonnenklar, doch niemand will Lillebror Glauben schenken, selbst mit Beweisen nicht. Aus der Sicht der Erwachsenen ist alles halb so dramatisch. Lillebror ist bloß ein Kind, das mit einem Zweig herumalbert, Detektiv spielt und verworrene Geschichten erzählt. Aus dieser unterschiedlichen Art der Wahrnehmung resultieren der Pfiff und die Komik des Films. Während in Lillebrors Einbildung jede Menge Gefahren und Mutproben auf dem Weg zur Wahrheit lauern – filmisch durch amüsante Übertreibungen verstärkt, etwa durch Horrorfilm-Szenarien oder Showdowns wie im Western –, schneidet der Film mit großartiger Beiläufigkeit deutlich komplexere Themen an. Nach dem Unfall ist Lillebror auf sich gestellt. Die Mutter ist im Krankenhaus, der Vater auf Dienstreise und der große Bruder kein Elternersatz, der die Sorgen des Sechsjährigen um seine Mutter auffangen könnte. Darüber täuschen weder der lustige Knerten und seine zarte Romanze mit Karoline noch die zahlreichen Gags hinweg, auch nicht die hübsch anzusehende Welt aus roten Holzhäuschen, Wald, Wiesen und bunter 1960er-Jahre-Mode (die Zeit, in der der Film spielt). Letztlich stellt Knerten den imaginären Freund dar, der Lillebror im realen Leben fehlt. Auch wenn der erste Teil der Verfilmung feinfühliger ist, besonders weil sich Lillebrors Gedanken und Ängste in der Knerten-Figur facettenreicher widerspiegeln, ist auch die Fortsetzung sehenswert. Verpackt in einen fantasiereichen Krimi, greift „Knerten traut sich“ zeitlose Probleme von Kindern auf: die Unterschätzung durch Erwachsene und die manchmal nicht vermeidbare Abwesenheit von Eltern in Krisenmomenten. Damit kommt nach „Anne liebt Philipp“ (fd 40 838) und „The Liverpool Goalie“ (fd 40 960) ein weiterer Kinderfilm aus Norwegen ins Kino, der kreativ mit dem Komödiengenre umgeht und auf typische Konflikte seiner jungen Zielgruppe ebenso heiter wie gedankenvoll eingeht. Der nächste „Knerten“-Film steht ebenfalls schon in den Startlöchern.
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