The Other Europeans in: Der zerbrochene Klang

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 129 Minuten

Regie: Yvonne Andrä

Dokumentarfilm über ein Projekt, das Roma-Musiker und jüdische Klezmer-Musiker auf der gemeinsamen Suche nach dem "zerbrochenen" Klang einer vormals gemeinsamen Musikkultur zusammenführt. Zwar stellt er den Leiter des Projekts etwas zu sehr ins Zentrum und verzichtet dabei auf eine eigenständigere Perspektive; gleichwohl lehrt er anregend das Zuhören und konfrontiert mit spannenden Fragen der Musiker, die der eigenen musikkulturellen Identität gelten, aber auch der Existenz als Künstler zwischen Leidenschaft und materiellen Notwendigkeiten. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
1meter60 Film
Regie
Yvonne Andrä · Wolfgang Andrä
Buch
Yvonne Andrä
Kamera
Wolfgang Andrä
Schnitt
Wolfgang Andrä
Länge
129 Minuten
Kinostart
19.04.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
„So viele Lieder sind zu Hause geblieben“, sagt ein Musiker einmal, und zu Hause heißt in diesem Fall: unwiederbringlich verloren. Zu Hause war Bessarabien, das heutige Moldawien. Dort wurde die Musik gespielt, um die es in dem Dokumentarfilm von Yvonne und Wolfgang Andrä geht. Vor dem Zweiten Weltkrieg musizierten in dieser Region Roma und Juden gemeinsam. Während die überlebenden Roma weitgehend in ihrer Heimat blieben, wanderten die meisten Juden aus. Die Lautar-Musik der Roma und die jüdische Klezmer-Musik entwickelten sich getrennt weiter. Mit ähnlichen Erläuterungen, auch auf Texttafeln, beginnt der Film. Eigentlich ist es eine Art „Making of“, das eine Spurensuche, ein kompliziertes Unterfangen dokumentiert. Sechs Musiker kommen im weiteren Sinn aus der Roma-Tradition, acht Musiker spielen jüdische Klezmer-Musik. Unter der Leitung von Alan Bern machen sie sich auf die Suche nach dem verlorenen Klang. Bern ist ein virtuoser Musiker ein Intellektueller mit starken Visionen und Ansichten: eine Art Nikolaus Harnoncourt des Klezmer. Er doziert gerne, häufig und klug, was bei den übrigen Musikern nicht immer auf Gegenliebe stößt; denn viele, insbesondere die Roma-Musiker, würden sich lieber der universellen Sprache der Musik widmen als der Übersetzung von Alans Thesen zu lauschen, und gemeinsam für die Konzerte bei den Festivals von Krakau bis Wien proben. Ein wenig vernachlässigt der Film das Potenzial dieses Konflikts, auch weil er meist der Perspektive des sendungsbewussten Leiters folgt. Auch in dieser Hinsicht ist er eher ein „Making of“ als ein Dokumentarfilm mit eigenständiger Perspektive; er begleitet und dokumentiert das Projekt, fragt aber nie allzu kritisch nach. Dass er mit geringen Mitteln finanziert wurde (wie wohl auch das ambitionierte Projekt selbst), schlägt sich auch in der Übersetzung der Untertitel nieder, wenn die „Lyrics“ auf Deutsch zu „Lyrik“ statt zu „Liedtexten“ werden. Mit mehr als zwei Stunden ist der Film etwas zu lang, manches wiederholt sich, insbesondere für musikalisch Nicht-Vorgebildete. Gleichwohl lehrt er den musikalisch interessierten Zuschauer das Zuhören: Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden immer wieder mit Hilfe der Instrumente erläutert. So etwa wird das auf Jiddisch „Krekhtsen“ genannte musikalische Seufzen, ein typisches Ornament der Klezmer-Musik, von Klarinette und Violine nachgespielt. Zuzuhören ist auch für die Musiker wesentlich: Wenn 14 Individualisten gemeinsam auftreten, muss jeder genau auf den anderen achten. Die Kulturen prallen aufeinander, auch jenseits der Musik. Es ist spannend zu verfolgen, welche Fragen die vier Musiker beschäftigen, was sie mit ihrer Musik und mit derjenigen der anderen verbinden, welche Rolle die Emotionen spielen, welche Virtuosität und welche das Geld, das Leben von der Leidenschaft. Auf ihrer gemeinsamen Reise in die Erinnerung ist deutlich zu sehen und zu hören: Der Weg ist nicht einfach, aber zugleich das Ziel.
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