Sharayet - Eine Liebe in Teheran

Drama | USA/Frankreich/Iran 2010 | 105 Minuten

Regie: Maryam Keshavarz

Drama um die Liebe zweier junger Frauen in Teheran: Nach außen hin nur beste Freundinnen, nutzen die Schülerinnen die Freiräume, die sich ihnen im Rahmen der Jugend-Subkultur sowie im heimischen Schutz einer liberalen Familie bieten. Als der Bruder eines der Mädchen, ein religiöser Fanatiker, in die Familie zurückkehrt, droht der Kollaps. Der Erstlingsfilm einer iranisch-amerikanischen Filmemacherin porträtiert als realistische Allegorie eindringlich die Schizophrenie einer Gesellschaft, in der sich die Sehnsucht nach Freiheit und Vergnügen zwar Nischen sucht, dies aber nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit und überschattet von der Drohung staatlicher Restriktionen geschieht. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SHARAYET
Produktionsland
USA/Frankreich/Iran
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Marakesh Films/A Space Between/Bago Pic./Menagerie Prod./Neon Prod.
Regie
Maryam Keshavarz
Buch
Maryam Keshavarz
Kamera
Brian Rigney Hubbard
Musik
Gingger Shankar
Schnitt
Andrea Chignoli
Darsteller
Nikohl Boosheri (Atafeh Hakimi) · Sarah Kazemy (Shireen Arshadi) · Reza Sixo Safai (Mehran Hakimi) · Soheil Parsa (Firouz Hakimi) · Sina Amedson (Hossein)
Länge
105 Minuten
Kinostart
24.05.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Diese Liebe ist eine verbotene. Die Bilder, die sie einführen, sind es auch – zumindest dort, wo dieses Begehren gelebt oder wohl eher geträumt wird. Ein Bauchtanz, viel nackte Haut, Pailletten und begehrliche Blicke liegen auf Atafehs Körper, auf ihren Hüften, ihrem nackten Rücken. Es sind keine männlichen Blicke, sondern die von Shireen, Atafehs bester Freundin. Wie die Bilder eines Traums in einer Welt der Verschleierung wirken die Anfangsszenen von Maryam Keshavarz’ Liebesdrama, genauso wie es die späteren von einer glücklichen, gemeinsamen Zukunft in Dubai oder in den USA sein werden. In Weichzeichner getaucht, malen sich Atafeh und Shireen die Zukunft ihrer Liebe aus, die in ihrer Heimat, dem Iran, unmöglich ist. Vergleichsmöglichkeiten sind rar, selbst mittels der importierten Waren der Traumfabrik: Filme wie Sean Penns „Milk“ (fd 39 134) oder Serien wie „Sex and the City“ sind anders synchronisiert oder gar verboten. Also machen sich die Schülerinnen und ihre Freunde daran, diese auf Farsi zu synchronisieren bzw. zu stöhnen. Im Alltag dürfen Atafeh und Shireen, gebrandmarkte Tochter hingerichteter Dissidenten, nur beste Freundinnen sein. Verschleiert geben sie sich kleine Küsse auf den Mund, schmuggeln sich heimlich auf die illegalen Partys von Teherans Jugend und an den scharfen Blicken der Sittenwächter vorbei. Die Jugend und die Liebe finden ihre Schleichwege, doch dann kommt Atafehs Bruder Mehran aus dem Drogenentzug zurück, findet Halt in der Religion und seiner Liebe zur schönen Shireen. Atafehs wohlhabende Familie, die ihre Kinder bislang zu schützen wusste, wird von innen heraus durch den eigenen Sohn unterwandert, und es wird die Liebe der zwei Frauen zerstören. Im Debüt-Spielfilm der amerikanisch-iranischen Regisseurin Maryam Keshavarz ist Teheran eine Stadt, in der vieles verboten ist und in der doch viel hinter verschlossenen Türen passiert. Hier spielt dieselbe Musik, hier kleidet und benimmt man sich so offenherzig wie im Westen. Die Konsequenzen einer Verhaftung sind dennoch so erniedrigend und einschüchternd, wie man es Ahmadinedschads Theokratie zutraut. Keshavarz’ junge Darsteller haben ebenso wie ihre Regisseurin den Großteil ihres Lebens in den USA verbracht. Es ist demnach ein Blick von außen in ein Inneres, das dennoch durch viele Familienbesuche legitimiert ist. Es müssen Besuche voller kleiner Schocks sein, die die Exil-Iraner bei jeder Rückkehr in ihr Heimatland erleben müssen: Strengere Verhaltenskodizes, willkürliche Kontrollen und Verhaftungen, das erniedrigende Eindringen in die Intimsphäre – nicht nur häuslich, sondern auch wortwörtlich körperlich. Keshavarz zeichnet aus diesen Erfahrungen eine überaus realistische Allegorie, die sie vom staatlichen Überwachungsstaat ins familiäre Milieu übersetzt. „Irgendwann werden wir hier alle zusammen baden“, sagt Atafehs Vater seiner verschleierten Tochter wie zur Aufmunterung – und springt wie all die anderen Männer in Badehose ins erfrischende Meer. Dass sich hier aber nichts so schnell ändern wird, wird klar, als Atafeh ihrem verständnisvollen Vater vorwirft, dass er als ehemaliger Revolutionär von 1979 ihnen, den Frauen, diese Unterdrückung letztendlich eingebrockt habe. Allein die Zerstörungswut, der Fanatismus des Bruders Mehran, will sich in den durchkomponierten Film nicht einfügen: Er wird die Wohnung heimlich mit Kameras bestücken und sich bald weigern, aus den Händen der einst geliebten, doch nun angeblich nicht mehr „reinen“ Schwester Brot anzunehmen. Mehran wird die religiösen Oberhäupter zu den liberalen Familienfesten einschleusen und den um seine Tochter besorgten Vater auf seine Seite ziehen – das passiert in einer Geschwindigkeit, die zu schnell mit der kritischen Botschaft des Films um die Wette rennt, als dass diese noch glaubwürdig erscheint. Und doch gelingt dem (notgedrungen im Libanon gedrehten Film) beides: Er fängt die Atmosphäre der Bedrückung, aber auch die Ausgelassenheit der nach Vergnügung dürstenden Jugend zu gleichen Teilen ein. Diese und die liberalen Bildungsfamilien haben sich in Teheran kleine, versteckte Oasen der Freiheit eingerichtet. Bei der Bebilderung der brutalen Konsequenzen, die deren Zerstörung nach sich zieht, nimmt Keshavarz’ amerikanischer Kameramann Brian Rigney Hubbard kein Blatt vor die Linse. Was hier gezeigt wird, sind unhaltbare Zustände, die nach einem Befreiungsschlag förmlich zu dürsten scheinen und am Ende doch in einer Implosion enden müssen. In diesem Zustand scheint es für Mädchen wie Atafeh keinen Platz zu geben.
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