Friede Freude Eierkuchen

Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 87 Minuten

Regie: Miriam Pucitta

Dokumentarische Langzeitbeobachtung, die rund um Planung und Bau eines neuen Fußballstadions in Aachen den vielfältigen Auseinandersetzungen bei Großprojekten nachgeht und beschreibt, wie sich Anwohner, Naturschützer und Kleingärtner zunächst empört zur Wehr setzen. Der sympathisch unterhaltsame, realsatirisch angehauchte Film spürt mit dokumentaristischer Finesse auch kleinen Gegebenheiten am Rande nach und konterkariert sanft den Streit ums große Ganze. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Happy Endings Film
Regie
Miriam Pucitta · Michael Chauvistré
Buch
Miriam Pucitta · Michael Chauvistré
Kamera
Michael Chauvistré
Musik
Axel Jansen
Schnitt
Miriam Pucitta
Länge
87 Minuten
Kinostart
19.04.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
In der Saison 2006/07 spielte der Traditionsclub Alemannia Aachen nach mehrjähriger Abstinenz wieder in der Ersten Fußball-Bundesliga. Im Hochgefühl des Erfolgs beschlossen Verein und Stadt, das altehrwürdige „Tivoli“-Stadion abzureißen und durch eine neue Arena zu ersetzen, die schöner, moderner und, vor allem, größer sein sollte. Doch als die ersten Pläne auftauchten, nach denen ein Teil eines Naturschutzgebiets für Parkplätze geopfert werden sollte, machte sich Widerstand breit. Empörte Anwohner schlossen sich zu einer Bürgerinitiative zusammen und erreichten schließlich den Erhalt des Biotops. Weniger kämpferisch zeigten sich Kleingärtner, deren Parzellen dem Stadionbau weichen mussten. Doch da sie für den Verlust von der Stadt mit einer neuen Anlage großzügig entschädigt wurden, hegten am Ende auch sie kaum mehr einen Groll gegen die Expansionsgelüste ihres geliebten Fußballvereins. Eine wundersam harmonisch verlaufene Auseinandersetzung um ein bauliches Großprojekt, möchte man meinen. Doch der Titel des Dokumentarfilms, der diesen Eindruck zu bestätigen scheint, ist von deutlicher Ironie durchsetzt. Vier Jahre lang haben Miriam Pucitta und Michael Chauvistré die Auseinandersetzung um das neue „Tivoli“ begleitet. Dabei spielt das Thema Fußball allenfalls eine untergeordnete Rolle; es könnte ebenso gut um ein Opernhaus oder einen Freizeitpark gehen. Der Film folgt weitgehend der Chronologie der Ereignisse von den ersten Planungen bis zur Eröffnung des Stadions. Man ist dabei, wenn die Bürgerinitiative in langen Sitzungen ihre erste Demo plant, sieht Kleingärtner, sie mit Tränen in den Augen den Abriss ihrer Hütten verfolgen, oder hört den Projektleiter des Neubaus von seinen Visionen einer glorreichen Zukunft von Stadt und Verein schwärmen. Dann ist da noch der kurdische Gastronom, der zunächst den Abriss seines Lokals in Stadionnähe verhindern kann, aber eines Tages vor den Trümmern seiner Existenz steht, weil das Restaurant einem Brandanschlag zum Opfer fällt, der bis zum Schluss unaufgeklärt bleibt. Dieser Hauch von Krimi ist nicht das entscheidende Element, das die unkommentierte Langzeitbeobachtung wohltuend von ähnlich gelagerten Filmprojekten abhebt. Bei aller erkennbaren Sympathie für die Widerständler bewahren sich die Autoren einen offenen Blick auf die kleinen Gegebenheiten am Rand der Geschehnisse. Ob es das eingefrorene, immer gleiche Lächeln des Oberbürgermeisters bei seinen Auftritten ist oder die Kamera die traurigen, in Plastikfolie eingewickelten Blumensträuße protokolliert, die zu unterschiedlichsten Anlässen ständig überreicht und umgehend beiseitegelegt werden – stets sind es solche nur scheinbar nebensächlichen Momente, die den Streit um das große Ganze wunderbar konterkarieren. Neben dieser Realsatire bietet der Film eine Schar kauziger Figuren unter den Protestlern auf, die zwischen Wut und Zweifel schwanken, sich aber dennoch nicht verbiegen lassen. Last, not least ist – quasi als Running Gag – regelmäßig ein rüstiges Musikanten-Trio zu hören, das unaufhörlich dichtet, „Küh“ auf „Vieh“ reimt und das Geschehen in Darbietungen irgendwo zwischen Bänkelgesang und Protestlied kommentiert. Einziges Manko ist der Umstand, dass die Dreharbeiten 2011 beendet wurden: Augenblicklich, im April 2012, rangiert Alemannia Aachen auf dem letzten Platz der Zweiten Liga und wird in der kommenden Saison im neuen, schmucken Stadion wohl nur noch drittklassig kicken.
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