Buebe gö z'Tanz

Musikfilm | Schweiz 2011 | 85 Minuten

Regie: Steve Walker

Junge Mitglieder des Balletts des Stadttheaters Bern fassen den Entschluss, mit der Berner Mundart-Rockband "Kummerbuben" einen Ballettabend einzustudieren. Eine Gratwanderung, die alle Beteiligten mit künstlerischem Neuland konfrontiert, da man sich mit anderen Arbeitsweisen und Musikstilen auseinandersetzen muss. Ein Arbeitsprozess, der von einigen gruppendynamischen Konflikten überschattet wird, die sich für den wundervollen Film allerdings als Glücksfall erweisen, da in diesen Momenten die Leidenschaft und der künstlerische Funke überspringen. Ein kurzweiliger, emotional ergreifender und bildstarker Film, der auch private Wendepunkte im Leben seiner Protagonisten miteinbezieht. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BUEBE GÖ Z'TANZ
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Recycled TV/Voltafilm
Regie
Steve Walker
Buch
Steve Walker · Markus Heiniger
Kamera
Markus Heiniger · Steve Walker · Simon Huber
Musik
Kummerbuben
Schnitt
Stephan Heiniger
Länge
85 Minuten
Kinostart
31.05.2012
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm | Tanzfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Wer wagt gewinnt. Und wer derart originelle Ideen hegt wie Izumi Shuto, hat Chancen, es weit zu bringen. Noch ist die Japanerin jung und Mitglied des Balletts des Stadttheaters Bern. Sie liebt die Musik der „Kummerbuben“, einer Berner Mundart-Rock-Band um den Texter und Sänger Simon Jäggi. Die Geschichte der „Kummerbuben“ lässt sich bis 2005 zurückverfolgen. „Kummerbuben“-Musik, das ist besondere Musik. Das sind aus dem Fundus alten Volksliedguts gerettete Stücke. Manche sind inhaltlich pointiert aktualisiert, alle musikalisch umgestaltet: Da mischen sich liebliche Volkslied-Weisen mit hartem (für deutsche Ohren nur schwer verständlichem) Rock und fetzigen Spritzern Balkan-Jazz: Die Songs fahren unmittelbar in Herz, Gemüt, Seele und nicht selten auch in die Füße. So kam Izumi auf die verrückte – tradierte Musikformen vermischende – Idee, die „Kummerbuben“ zum Tanz zu bitten, überredete sie, mit ihr, der Choreografin Martina Langman und dem „Bern:Ballett“ ein Stück einzustudieren und aufzuführen: Brechend voll war das Stadttheater Bern, als das 40-minütige Stück „Am Quai“ im Rahmen von „Tanz Made in Bern3“ im Juni 2010 aufgeführt wurde. Der Weg dahin war anspruchsvoll und hart. Vor allem für Izumi, die als Initiatorin nicht nur im Mittelpunkt des Projekts, sondern auch im Fokus von Steve Walkers Dokumentarfilm steht. Die zierliche Tänzerin tanzt zum Auftakt von „Buebe gö z’Tanz“ in einem Waldstück „Anneli“: Tief dröhnt der Bass, wehmütig ist der Text, märchenhaft-archaisch das Bild der zwischen Büschen und Bäumen tanzenden Frau: „Anneli“ bildet den roten Faden des Films. Tatsächlich aber ist es ein im Nachhinein gefilmter Epilog: Izumi ist nämlich, als es zur Aufführung kommt, nicht mit dabei. Sie hat sich zu viel vorgenommen: Die übliche Ensemble-Arbeit und das zu großen Teilen in der Freizeit vorangetriebene eigene Projekt, die zahllosen Meetings und Proben, sowie die Verantwortung waren offenbar zu viel; erklärt wird das Film nicht. Doch was für Izumi vorerst eine Katastrophe scheint, im Nachhinein dann aber vielleicht ein wohltuend inspirierendes Innehalten war, ist für Regisseur Walker ein Glücksfall. Denn die Diskussionen darum, ob man das Projekt weiter durchführt oder nicht, der Moment, in dem die bisher vor allem Unterstützung bietende Langman das Zepter übernimmt, verpassen dem Film unverhofft einige emotional starke Höhepunkte. Auch bei den „Kummerbuben“ läuft nicht alles rund. Die absolute Präzision, welche das Live-Zusammenspiel mit den Tänzern erfordert, stellt die gern auch mal improvisierende Band vor eine große Herausforderung. Hinzu kommt, dass alte Stücke umgeschrieben, andere neu geschrieben werden müssen, dementsprechend oft geprobt werden muss und darüber hinaus jeder Musiker Band, Familie, Karriere vereinbaren muss. Ausgerechnet Mario Batkovic, der für die meisten „Kummerbuben“-Stücke die Musik arrangiert, erreicht der Film einen Punkt, an dem sich sein Leben wendet. Von Leidenschaft, unterschiedlichen Mentalitäten, aufeinanderprallenden Kunstformen und Kulturen erzählt „Buebe gö z’Tanz“ in beeindruckender Weise. Ein emotional ergreifender Film; kurzweilig und spannend, mitreißend in den Momenten, in denen musiziert und getanzt wird, bildstark, wo die Musiker in freier Natur aufspielen und Izumi im Wald tanzt. Schade nur, dass Walker den Zuschauer an der großartigen Aufführung nicht ein wenig länger teilhaben lässt. Dennoch vollbringt der Film ein kleines Wunder: Er zieht Menschen in seinen Bann, die weder mit der einen noch der anderen Musikform etwas anzufangen wissen, und entlässt sie mit einem nahezu irrationalen Glücksgefühl, das auch dem grandiosen Scheitern einer großen Idee geschuldet ist und Künstler vorstellt, die von einer Utopie beseelt sind. Nicht gerade der Alltag im gängigen Kulturbetrieb.
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