Karen llora en un bus

Drama | Kolumbien 2011 | 98 Minuten

Regie: Gabriel Rojas Vera

Eine junge Frau hat nach zehn trostlosen Ehejahren ihren Mann verlassen und wagt ohne Job, Freunde oder Geld in der Altstadt von Bogota einen Neuanfang. Eine Nachbarin hilft ihr bei den ersten Schritten in die Unabhängigkeit. Sie lernt einen Autor kennen, ohne dass ihre Suche nach sich selbst schon ans Ziel gekommen wäre. Ein ruhiger, konzentrierter Film, der sich auf die kleinen Schritte der überragenden Hauptdarstellerin konzentriert und mit viel Sympathie eine kleine Geschichte über große Fragen erzählt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
KAREN LLORA EN UN BUS
Produktionsland
Kolumbien
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Caja Negra Prod./Schweizen Media Group
Regie
Gabriel Rojas Vera
Buch
Gabriel Rojas Vera
Kamera
Manuel Castañeda
Musik
Rafael Escandón
Schnitt
Carlos Fernando Cordero
Darsteller
Ángela Carrizosa Aparicio (Karen) · María Angélica Sánchez (Patricia) · Juan Manuel Díaz (Eduardo) · Diego Galindo (César) · Diego Pelaez
Länge
98 Minuten
Kinostart
26.07.2012
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Eine junge Frau sitzt spät in der Nacht weinend in einem Bus in Bogota. Dann steigt sie aus, zieht ihren Rollkoffer über das holprige Pflaster und sucht sich ein Zimmer. Karen hat die gewohnten Pfade verlassen, das behütete Leben einer Ehefrau, die sich bislang nur dem Haushalt widmete und ihren Träumen. Sie könnte eine Madame Bovary sein, doch Karen ist eher Nora aus Ibsens „Puppenheim“. Nach zehn Ehejahren will sie sich scheiden lassen. Ihr Ehemann Mario, ein eleganter Manager mit tadellosen Krawatten, kann das nicht glauben: „Sag’ mir doch mal, was du allein machen willst. Du kannst doch absolut nichts, gar nichts.“ Das Leben außerhalb des Puppenhauses ist nicht einfach. Karen verkauft Englischkurse und wohnt in einer völlig verkommenen Pension. „Im Bad ist eine Kakerlake“, beklagt sie sich. „Dann mach sie doch tot“, sagt ihre Mitbewohnerin. Warmes Wasser gibt es nicht. Der Weg in die Selbstverwirklichung ist nicht leicht. Das haben Karens Mutter und ihr Ehemann immer schon gewusst, doch Karen macht weiter. Ihre Leidenschaft sind Bücher, nicht nur das „Puppenheim“ von Ibsen. Sie träumt davon, in einer Buchhandlung zu arbeiten. Doch der harte Alltag Bogotas lässt wenig Raum für Träume. Karens Tasche wird gestohlen, ihr Geld ist weg. Sie schnorrt die Wartenden im Bushäuschen an, kauft sich eine Pizza und schlingt sie hinunter. Für das schmutzige Mädchen, das sie anbettelt, hat Karen keine Augen. Im Supermarkt wird sie beim Klauen erwischt, ein Deodorant, nichts Besonderes. „Karen llora en un Bus“ baut keine Horrorkulisse von Bogota als Drogen- und Kriminalitätsmetropole auf; vielmehr zeugt der Film das alltägliche Überleben, nicht mehr. Karen freundet sich mit ihrer Mitbewohnerin Patricia an, einer Friseuse. Patricias Traum und ihr großes Problem sind die Männer. Sie verliebt sich in die Falschen, in verheiratete Männer, Betrüger. Dann ertränkt sie ihren Schmerz in Alkohol, denkt an Selbstmord. Karen hingegen langweilt sich bei nächtlichen Touren mit verheirateten Männern. Bis sie einen kennen lernt, der ihr gefällt: Eduardo, einen Schriftsteller, der auch Theaterstücke schreibt. Karen will wieder weg, läuft mit ihrem Rollkoffer die schmutzigen Gassen der Altstadt Bogotas hinunter. Doch Eduardo lässt sie nicht gehen. Die beiden gehen aus; in der Bohème des Theaters kommen sie sich näher, werden ein Paar. Einmal noch trifft sie sich mit ihrem Mann. Er bestellt zwei Kaffee, sie ändert die Bestellung, trinkt ein Bier und bezahlt am Ende: „Werfen wir uns nichts vor“, sagt Karen. „Wir haben uns geirrt. Ich war nie die richtige Frau für dich.“ Dann erhält Eduardo ein Stipendium und will sie mitnehmen: „Von meinem Geld können wir beide leben.“ Aber will Karen das wirklich? Gerät sie mit dem neuen Mann nicht wieder in die alte Falle? „Karen llora en un Bus“ ist ein einfacher, aber eindringlicher Film. Das Regiedebüt von Gabriel Rojas Vera erzählt subtil und mit vielen kleinen Schritten vom mühsamen Weg in die Freiheit. Manchmal erinnert Karens Entwicklung an das Märchen vom „Hans im Glück“, das vom Schlechten zum Schlechteren führt, doch dann findet die Protagonistin langsam den Weg zu sich selbst. Die Stärke des unspektakulär ruhigen, aber konzentrierten Films liegt in seiner sehr menschlichen Darstellung aller Protagonisten; es geht nicht um Gut und Böse, sondern um unterschiedliche Lebensentwürfe und -formen. Das zentrale Thema ist der Weg zu sich selbst. Es geht um die eigenen Erwartungen an das Leben und die Erwartungen, die andere an einen stellen. Besonders beeindruckt die Hauptdarstellerin Carrizosa Aparicio, die dem Film Seele und Rhythmus, Tränen und Lächeln gibt. Am Ende sitzt Karen wieder im Bus und liest. Jetzt ist es Tag. Eine junge Frau nimmt Platz, die weint. Der Bus hält, Karen steigt aus. Das Leben geht weiter.
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