Mary & Johnny

Literaturverfilmung | Schweiz 2011 | 77 Minuten

Regie: Samuel Schwarz

Zwei jugendliche Liebende kommen sich am Tag des Fußball-WM-Finales 2010 in Johannesburg während einer sommerlichen Feiernacht in Zürich abhanden und schlittern in ihr Unglück. Vorzüglich gespielter Erstlingsfilm als frisch entstaubte Adaption des Theaterstücks "Kasimir und Karoline" (1929) von Ödön von Horváth. Trotz seines improvisiert wirkenden Charakters weist er einen ausgeprägten Stilwillen in Bildgestaltung und Dialogen auf. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
MARY & JOHNNY
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Kamm(m)acher
Regie
Samuel Schwarz · Julian M. Grünthal
Buch
Samuel Schwarz
Kamera
Quinn Reimann
Musik
Michael Sauter
Schnitt
Rolf Lang
Darsteller
Nadine Vinzens (Mary) · Philippe Graber (Johnny) · Nils Althaus (Hostetter) · Andrea Zogg (Rauch) · Jaap Achterberg (Vandenbrenk)
Länge
77 Minuten
Kinostart
05.07.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Ein frecher, schmutziger, kluger, schneller Rummel(platz)-Film; eine Mordgeschichte aus Zürich. Gedreht mit unglaublich agiler Kamera, spielend in einer einzigen Sommernacht: Sonntag, 11. Juli 2010. Es ist der Tag des WM-Finales, in Johannesburg spielt Holland gegen Spanien Null zu Eins. Zürich feiert. An der Langstraße, Zürichs Rotlicht-Viertel, wird am Caliente-Festival Samba und Salsa getanzt. Im Seebecken brodelt das Zürich-Fest: Kneipen, Buden, Lunapark bestimmen den Feierrhythmus, gegen Mitternacht gibt es ein Feuerwerk. Festlaune ist in „Mary & Johnny“ denn auch angesagt. Dennoch ist der erste Film von Samuel Schwarz und Julian M. Grünthal keine Komödie, eher eine komische Tragödie. Oder vielleicht eine im Takt des Dancefloor wippende Studie über die heutige Ausgehgesellschaft. Auf alle Fälle heißt es darin – in Schweizer Mundart grobschlächtiger formuliert, als hier wiedergegeben –, es gäbe nichts Erbaulicheres als die Dummheit der Leute. Obwohl zwischendurch die Musik abrupt stoppt, es mucksmäuschenstill wird und der Fluss dahin plätschert, ist „Mary & Johnny“ ein schwatzhafter Film. Einer, der im Dunkeln beginnt und von der Stimme des Erzählers lebt: Mischa ist ein Tunichtgut. Er sitzt mit Rilkes „Panther“ im Knast, weil die Mary und der Johnny inzwischen tot sind, „die wirklich Bösen aber immer davonkommen“. Auch davon erzählt „Mary & Johnny“. Das Drehbuch hat Samuel Schwarz verfasst, ein Schweizer (geb. 1971), seit 18 Jahren im Theater unterwegs. Von dort kommt auch die Vorlage: „Mary & Johnny“ ist eine hübsch entstaubte Adaption von Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“. Anno 1929, während der Wirtschaftskrise, an Münchens Oktoberfest spielt Horváths Stück. Erzählt wird von zwei Liebenden, die einander im Lauf eines Abends abhandenkommen. So nun auch hier, in Zürich, wo Johnny am Tag zuvor seinen Job verliert und keine Lust aufs Feiern hat, derweil Mary unbedingt Fußball und Party erleben will. Die beiden streiten sich, trennen sich, treiben aneinander vorbei, voneinander weg durch die Nacht. Mary bandelt mit Eugen (charmant: Niels Althaus) an; Johnny lässt sich von Mischa und dessen Freundin trösten. Die Leute sind besoffen, bekifft, die Nacht leiert aus. Mischa (mit Verve: Marcus Signer) demonstriert seine Langfingerkünste, seine Freundin macht mit Johnny herum, und dann ist schon fast alles vorbei. Derweil ist Mary nicht nur auf Eugen, sondern auch auf Fußball-Sepp (schmierig: Andrea Zogg) hereingefallen und bezahlt bitter dafür: Schlampenschön lasziv spielt die ehemalige „Miss Schweiz“ Nadine Vinzens. Die Mary, sagt Mischa an Anfang, als sich der Film aus seiner Rede heraus quasi belichtet, müsse eine dieser schönen Ex-Missen spielen, Johnny so traurige Augen haben wie der Batman-Darsteller: Selbstreflexiv ist „Mary & Johnny“ auch und sein Aussehen Lüge strafend streng kalkuliert und durchstrukturiert. Da besingen die grölenden Fußball-Fans Johnnys trauriges Schicksal, sind die Dialoge, so locker sie sprudeln, garantiert nicht improvisiert. So ist „Johnny & Mary“, nachtdunkel, unglücklich endend, „schmutzig“ wie es Schweizer Filme heute kaum noch sind. Und gerade deswegen etwas vom Besten, was der Schweizer Film derzeit zu bieten hat.
Kommentar verfassen

Kommentieren