- | Frankreich 2011 | 66 (24 B./sec.)/64 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Héléna Klotz

Die Odyssee zweier junger Männer ins Pariser Nachtleben, inszeniert als Stimmungsbild jugendlicher Befindlichkeiten zwischen der Suche nach Kontakt und ständiger Abgrenzung. Obwohl es immer wieder um extreme Stimmungsumschwünge der jungen Protagonisten geht, entfaltet sich der Film als poetisch-traumgleiches Gleiten, getragen vom fließenden Zusammenspiel von Klängen, Bildern und Licht, das impressionistisch die Gefühlslagen der Figuren charakterisiert. (O.m.d.U.) - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
L' ÂGE ATOMIQUE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Kidam
Regie
Héléna Klotz
Buch
Héléna Klotz
Kamera
Hélène Louvart
Musik
Ulysse Klotz
Schnitt
Cristóbal Frenández · Marion Monnier
Darsteller
Eliott Paquet (Victor) · Dominik Wojcik (Rainer) · Niels Schneider (Theo) · Mathilde Bisson (Cécilia) · Clémence Boisnard (Rose)
Länge
66 (24 B.
sec.)
64 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
16.08.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. den Kurzfilm "Carnaval" (11 Min.).

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz.)
DVD kaufen

Diskussion
Auf einen Blick, der Anziehung signalisiert, folgt ein abruptes „Hau ab“, auf ein Lächeln folgt eine Ohrfeige und auf kurze Intensitäten ein leeres Gefühl sowie bittere Tränen. „Atomic Age“ erzählt vom mitunter gewaltsamen Umkippen von Situationen, Stimmungen und emotionalen Befindlichkeiten, und doch ist der Film ein einziges Gleiten. Schon als Victor und Rainer mit dem Zug in das Pariser Nachtleben aufbrechen, wirken die beiden jugendlichen Vorstadtmelancholiker, als schwebten sie in einer weltabgewandten Kapsel ins Nichts; selbst der Eiffelturm, der irgendwann in der Ferne auftaucht, zeigt sich plötzlich als ein fremdartiges Gestirn. Zwar tun Victor und Rainer nichts anderes als das, was unzählige Jugendliche auf der Welt ebenfalls tun: Red Bull mit Wodka trinken, über Musik und Klamotten reden, d.h. Dinge klassifizieren. Gleichwohl errichtet die Regisseurin Héléna Klotz durch feine Realitätsverschiebungen den beiden Figuren eine ganz eigene Welt, in der alles auf eine artifizielle, gleichermaßen abgedämpfte wie poetisch gesteigerte Art erscheint. Ein Hang zu stilvoller Larmoyanz und Gespreiztheit ließe sich ihrem Film sicherlich leicht zum Vorwurf machen, wäre eine gewisse Prätention nicht so offensichtlich Teil des Ganzen. „Atomic Age“ ist ein Nachtstück, ein Stimmungsfilm, in dem es um das fließende Zusammenspiel aus Bildern, Klängen und Licht geht. So wechselnd sich Impressionismus und Gefühlsausbrüche in einer ausgedehnten Clubszene ab: Man sieht das flackernde Stroboskoplicht auf hellen Gesichtern und Haaren, Blicke und Körper in Bewegung. Victor, der Impulsivere der beiden, sucht ungeduldig nach Augenkontakt und eruptiven Begegnungen; in der Art, wie er tanzt, ist der Blick der anderen auf ihn schon eingebaut. Dagegen gibt sich Rainer, der sofort als Schwuler adressiert wird, dandyhaft zurückgelehnt und zitiert Gedichte. Im Grunde ist der Club ein einziger Verwerfungsmechanismus; Interesse schlägt urplötzlich in Langeweile und Abstoßung um, wobei das Nein grundsätzlich mitleidlos zum Ausdruck kommt: „Ein Mädchen, das ‚ja‘ sagt..., einfach ‚ja‘, das wäre mein Traum“, äußert Victor einmal. Jeder ist hier vereinzelt, das Versprechen auf kollektives Erleben findet keine Erfüllung; so vermengt Klotz die Dialoge auch nicht mit dem elektronisch pulsierenden Clubsound, sondern behandelt sie wie Off-Stimmen, die sie isoliert in den Vordergrund stellt. In gewisser Weise wirkt das Scheitern jeglicher Kontakte jedoch heimlich erwünscht; zumindest strahlen Victor und Rainer eine Verbundenheit aus, die schwer zu durchbrechen ist. Bereits auf der Fahrt in die Stadt, wenn Rainer dem Freund sein Halstuch schenkt und es ihm sorgfältig umbindet, liegt so viel Zärtlichkeit und erotische Aufladung in dieser Geste, dass man die beiden von Beginn an als unausgesprochenes Paar wahrnimmt. Später spült der Club die beiden regelrecht auf die Straße, wo es zur Begegnung mit Théo kommt. Auch hier greift Klotz zur Verfremdung, wenn sie das argwöhnische Umkreisen von Victor und Théo fast choreographisch inszeniert. Doch so künstlich der Kampf mit Worten („Du bist eine Ware“) und schließlich mit Fäusten auch ist: Die Verbindung zur Wirklichkeit ist immer präsent, im Klassenkonflikt, der über Distinktionswerte ausgetragen wird: saubere Drogen gegen Shit, ein Audi und Parfum gegen die Freiheit, Statussymbole gar nicht erst nötig zu haben. In einem zauberhaften Wald, der Victor und Théo nach Hause führen soll, fällt endlich der Druck weg, sich abzugrenzen, permanent Stilkritik zu üben oder unter großer Anstrengung Verbindungen aufzubauen. Erst jetzt ist Platz für unverstellte Liebesbekenntnisse, wobei es Héléna Klotz in der Schwebe lässt, wie real diese sind. Immerhin endet „Atomic Age“ als eine Art Märchenfilm, hypnotisch und in grünblaues Licht getaucht.
Kommentar verfassen

Kommentieren