Flamenco, Flamenco

Dokumentarfilm | Spanien 2010 | 97 Minuten

Regie: Carlos Saura

Impressionistischer Dokumentarfilm über den Flamenco, in dem sich Regisseur Carlos Saura verschiedenen Generationen und unterschiedlichen Einflüssen widmet, die diese ursprünglich von spanischen Roma geschaffene Musik- und Tanzrichtung weiterentwickelt und neu belebt haben. Ohne erklärenden Kommentar erweist der Reigen aus Musikstücken und Tanz als Synästhesie aus Licht, Ton und Farben der langen Kulturgeschichte des Flamenco die Reverenz und entfaltet dabei einen großen Reiz. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FLAMENCO, FLAMENCO
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
General de Producciones y Diseno
Regie
Carlos Saura
Buch
Carlos Saura
Kamera
Vittorio Storaro
Schnitt
Vanessa Marimbert
Länge
97 Minuten
Kinostart
23.08.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Tanzfilm
Externe Links
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Diskussion
Die Kamera schwebt in den ehemaligen Expo-Ausstellungspavillon in Sevilla hinein, vorbei an den Stahlbögen der Deckenkonstruktion. Stellwände zeigen die Ikonografie des „canto jondo“, des Flamenco, wie sie in den letzten Jahrhunderten von Malern wie Francisco de Goya, Pablo Picasso, Romero de Torres oder Gustav Klimt geprägt wurde: die volkstümliche Tradition und die romantische Verfeinerung. Wie kaum eine andere Musikrichtung hat der Flamenco, ursprünglich die Musik der „Gitanos“, der spanischen Roma, Elemente zwischen Orient und Okzident miteinander verschmolzen. Wenig später klingen Gesang und Gitarrenakkorde, das Stakkato der Tanzschuhe, das rhythmische Klatschen und der Takt der Kastagnetten durch den Pavillon. Flamenco vereinigt die Widersprüche überschäumender Lebensfreude und tiefer Trauer. Regisseur Carlos Saura fasziniert diese Magie, aber auch seine Entwicklungsfähigkeit des Flamenco: „Flamenco ist Fusion“. Tanz, Musik und Sauras besonderer Zugang zur Welt des Flamencos sind seit „Carmen“ (fd 24 114) ein wichtiges kreatives Feld des spanischen Regisseurs – neben den oft verschlüsselten Autorenfilmen der 1960er- und 1970er-Jahre sowie seinen weniger erfolgreichen Genrefilmen der 1980er- und 1990er-Jahre. 1995 drehte Saura „Flamenco“ (fd 33 328). In enger Kooperation mit dem Kameramann Vittorio Storaro inszenierte er ganz eigene, unwirkliche Studiolandschaften, beleuchtete, mit transparentem Stoff bezogene Flächen, die szenische Räume für die Musiker und Tänzer schufen. In „Flamenco, Flamenco“ führt er sein altes Team und die alten Protagonisten wieder zusammen und bringt auch die neue Generation auf die Bühne. Eingeleitet durch eine moderne Flamenco-Version der klassischen Verse Federico Garcia Lorcas aus dessen „Romancero gitano“, beginnt ein Reigen von 22 unterschiedlichen Musikstücken – vom klassischen Flamenco über die Verbindung mit Jazz-Elementen bis zu lateinamerikanischen Rhythmen – und immer wieder überraschenden Tanz-Performances. Es ist ein Streifzug durch die Generationen, von Altmeistern der Gitarre wie Paco de Lucia und Manolo Sanlúcar über Estrella Morente, die Tochter des legendären Flamenco-Künstlers Enrique Morente, bis zu den ganz jungen Vertretern des „canto jondo“ wie dem Tänzer Farruquito. Thematisch ist „Flamenco, Flamenco“ eine Reise durch Leidenschaften und Lebensphasen. Immer wieder vereinen sich Künstler zu beeindruckenden Ensemble-Leistungen; die Unterschiede in der Welt des Flamencos, die Tradition und die modernen Elemente, wirken organisch, natürlich gewachsen. Saura schafft mit Vittorio Storaro wieder eine ganz eigene Synästhesie aus Licht und Ton, wobei die Abstraktion aus Licht und Schatten früherer Flamenco-Filme zurückgenommen wurde. „Flamenco, Flamenco“ ist vor allem ein Fest der Farben, z.B. wenn sich Tänzerinnen in tiefblauen Tüchern vor einem gemalten nächtlichen Hintergrund einer andalusischen Karwochen-Prozessionen bewegen. Der Kultur- und Populärgeschichte des Flamencos wird dabei ebenso Reverenz erwiesen wie der Tradition des Andalusien-Kitsches; u.a. wird auch an die Folklore-Erfolge des frühen Tonfilms (z.B. „Morena Clara“) erinnert. So entsteht ein facettenreiches Bild, das ohne Kommentar oder andere erklärende Elemente als Reigen der Musikstücke einen eigentümlichen Sog entfaltet.
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