Komödie | Serbien/Kroatien/Mazedonien/Slowenien 2012 | 115 (24 B./sec.)/111 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Srdjan Dragojevic

Ein homosexueller Ladeninhaber will in Belgrad eine "Gay Pride"-Veranstaltung durchführen. Da er aber bei jeder Ankündigung des friedlichen Umzugs beleidigt oder sogar tätlich angegriffen wird, heuert er Kriegsveteranen aus Serbien, Kroatien, Bosnien und dem Kosovo für den Schutz der Parade an. Die von extremer Gewalt gekennzeichnete Reaktion führt zu einer ebenso unerwarteten wie auch berührenden Allianz zwischen früher verfeindeten ethnischen Gruppen und Schwulen-Aktivisten. Mit ansteckendem Humor und pointierter Situationskomik beschreibt die kraftvolle Komödie die Herausforderungen im Kampf um das Menschenrecht auf Toleranz. (Lobende Erwähnung der Ökumenischen Jury, Berlin 2012; Titel Schweiz: "Parade") - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PARADA
Produktionsland
Serbien/Kroatien/Mazedonien/Slowenien
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Delirium/Film & Music Ent./Forum Ljubljana/Mainframe Prod./Sektor Film Skopje
Regie
Srdjan Dragojevic
Buch
Srdjan Dragojevic
Kamera
Dusan Joksimovic
Musik
Igor Perovic
Schnitt
Petar Markovic
Darsteller
Nikola Kojo (Limun) · Milos Samolov (Radmilo) · Hristina Popović (Pearl) · Goran Jevtic (Mirko) · Goran Navojec (Roko)
Länge
115 (24 B.
sec.)
111 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
13.09.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
Serbien ist ein Land, in dem Schwule und Lesben einer ständigen Vorurteilsmaschinerie der Medien, feindseliger Häme in den Schlachtgesängen der Fußball-Hooligans und gewalttätiger Übergriffen ausgesetzt sind. Der Spielfilm „Parada“ will die Gegensätze zwischen Balkan-Machismo und schwul-lesbischer Szene mit pointierter Situationskomik und Elementen des Buddy-Movies versöhnen, indem er harte Jungs aus der Kriegsklasse gemeinsam mit soften Polit-Aktivisten in den Kampf für die Durchsetzung des Menschenrechts auf Toleranz schickt. Regisseur Srdjan Dragojevic hat sich bereits früher akuten Fragestellungen „seiner“ Gesellschaft verschrieben. 1996 reflektierte er mit „Dörfer in Flammen“ („Lepa selo lepo gore“) als erster serbischer Filmemacher den Krieg und warf Fragen nach der Verantwortung auf. Gedreht noch während der militärischen Auseinandersetzungen in Bosnien und somit offenkundig mit Duldung der serbischen Streitkräfte, nahm der Film eine subtile Freund-Feind-Perspektive ein, in der die „eigenen“ Soldaten zu (ambivalenten) Identifikationsfiguren wurden, die „anderen“ dagegen zur gesichtslosen Bedrohung. In den beiden populären Kultfilmen „Wir sind keine Engel“ („Me nismo andjeli“, 1992 und 2005) beschrieb Dragojevic das Teenie-Dasein in und nach der Ära Miloševic. Seine geradlinig und pointiert erzählten Filme zielen erfolgreich aufs große Publikum. Auch „Parada“ entwickelte sich in fast allen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien zum Publikumshit. Erzählt wird von einer Gruppe Aktivisten der so genannten LGBT-Bewegung (für lesbisch, gay, bi und trans), die zum Schutz einer „Gay Pride“-Parade vor Hooligan-Angriffen eine Gruppe von Kriegsveteranen anheuert, weil die Polizei die Sicherheit nicht garantieren möchte. Wobei die Geschichte jede Menge satte Ironie atmet: Zwischen Mann und Frau, schwul und hetero, Tschetniks und Ustaši, Glaubenskriegern und Kriegsgewinnlern spielt Dragojevic mit süffisantem Spott auf der Klaviatur der Klischees und geht dabei genauso in die Vollen wie seine auf Balkan-typischen schwarzen Humor und interethnische Anspielungen abonnierten Zuschauer. Der Clou des Ganzen: Zwischen den muskelbepackten Veteranen, deren Oberarme mit nationalen Symbolen tätowiert sind, und den blassen Polit-Aktivisten reift mit der Zeit die Erkenntnis, dass man in einem Boot sitzt. Zwischenmenschliche Bande entwickeln sich auch unter den Ex-Kämpfern, vom Kriegsalltag gestählte junge Männer, die den gegenseitigen Respekt im Kampf gelernt haben. „Parada“ macht sich über ihre männlichen Rituale lustig, stellt sie aber nicht in Frage, womit der schmutzige Krieg fast schon zum sportlichen Ereignis wird, zur „Buddy“-Basis, von der aus sich die Saulusse erst auf ihren Weg zu Paulussen machen können. Der ausgebildete Psychologe Dragojevic attestiert dem Machismo denn auch eine „gewisse Menge Schwulheit“. Er interpretiert die „Animosität zwischen dem Gay-Balkan und dem Macho-Balkan“ als unbewussten, ins Negative umgekehrten Ausdruck unterdrückter Zuneigung. Mit dem homoerotischen Miteinander von Ex-Kämpfern und Schwulen begibt sich „Parada“ auf eine moralische Gratwanderung: Taugen gewaltgeprägte Nationalisten als Identifikationsfiguren für den humanistischen Zweck? Wird eine kollektive Gefühlslage ironisch gebrochen oder ein notwendiger Schritt der Vergangenheitsaufarbeitung übersprungen? Ironie ist bekanntermaßen ein probates Mittel, um politisch aufgeladene Feindschaften zu entschärfen und neu zu bewerten; in Serbien wird das Lachen aber mitunter zur Waffe in den falschen Händen – die Stammkneipe, in der Ex-Präsident Radovan Karadcic in den Wochen vor seiner Festnahme in Neu-Belgrad verkehrte, hieß nicht von ungefähr „Luda Kuca“ – Irrenhaus. Dragojevic entwickelte „Parada“ als Komödie, weil er „als Drama in der Festivalnische gelandet wäre“; es sollte jedoch ein „Film für die homophobe Mehrheit“ werden. In Kroatien wurden unlängst Veteranenverbände dazu aufgerufen, den „Gay Pride“ in Split zu beschützen. Daraus wurde zwar nichts, doch Dragojevic sieht darin durchaus Anzeichen, „dass der Film die Wahrnehmung von Schwulen verändert hat“. Und Dragojevic weiter: „Ich finde es gut, wenn das Leben die Kunst imitiert.“
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