Kick (2005)

Drama | USA/Deutschland 2005 | 82 Minuten

Regie: Barbara Kopple

Die Kinder reicher Eltern aus einem noblen Wohnviertel in Los Angeles wollen das gewalttätige Leben der Jugendlichen in den Slums imitieren, geraten dabei aber in große Gefahr, als sie sich mit echten Dealern einlassen. HipHop-lastiges Jugenddrama, dessen Protagonisten sich gegen ihr überbehütetes Milieu auflehnen. Das Spielfilmdebüt von Barbara Kopple zielt nicht auf die voyeuristische Skandalisierung einer "haltlosen" Jugend, sondern umkreist das Spiel mit, aber auch das Leiden an sozialen Rollenbildern, mit denen sich Jugendliche beim Versuch, das für sie "richtige" Leben zu finden, auseinandersetzen müssen. (Früherer DVD-Titel: "Havoc") - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HAVOC
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Media 8/Stuhall/VIP 2
Regie
Barbara Kopple
Buch
Stephen Gaghan
Kamera
Kramer Morgenthau
Musik
Cliff Martinez
Schnitt
Nancy Baker
Darsteller
Anne Hathaway (Allison Lang) · Bijou Phillips (Emily) · Shiri Appleby (Amanda) · Michael Biehn (Stuart Lang) · Joseph Gordon-Levitt (Sam)
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama

Heimkino

Verleih DVD
3L (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Zunächst sieht man aus der Vogelperspektive Stadtansichten von L.A., unterlegt mit HipHop-Musik. Dann wird man mitten auf einen Parkplatz versetzt, auf dem sich zwei jugendliche Gruppen anpöbeln. Alle sind weiß, machen durch Kleidung und Sprachgestus aber demonstrativ auf Gangsta-Rapper. Als genügend Provokationen ausgetauscht sind, geht eine deftige Prügelei los. Ein Junge filmt dabei mit einer Videokamera; seine Handkamera-Bilder mischen sich mit denen der „neutralen“ Kamera. Ein Mädchen, gespielt von Anne Hathaway, erklärt dem Jungen, worum es hier geht: Die Kids sind einfach „totally fucking bored“; das Gangsta-Spielen scheint Abhilfe zu schaffen. Ähnlich wie „Alpha Dog“ (fd 38 076) oder der Teen-Noir-Film „Brick“ (fd 37 784) erzählt „Kick“ von Jugendlichen, die zwar aus gutbürgerlichen oder sogar reichen Verhältnissen stammen und nicht aus problematischen Stadtteilen, sich aber trotzdem so aufführen. Banden, Drogen und Dealereien, Gewalteskalationen und eine extreme Sexualisierung der „bro’s“ und ihrer „bitches“ sind ein Gegenmittel gegen – was eigentlich? Die „Scheiß-Kultur der reichen Weißen“, wie es einer formuliert? Die Langeweile in einem allzu behüteten, sich gegen die ärmeren Viertel rigide abschottenden Teil der Stadt? Die emotionale Leere von Elternhäusern, in denen materiell zwar alles da ist, aber niemand Zeit und Lust hat, mit den anderen zu reden? Der Film deutet an, welche Spannungen die Jugendlichen durch ihr Gangsta-Spiel kanalisieren; er kümmert sich aber mehr ums Registrieren denn ums Abliefern eindeutiger Erklärungen – ähnlich wie der junge Dokumentarfilmer im Film, der als Außenseiter mit der Kamera seine Altersgenossen beobachtet. Im Mittelpunkt seines Interesses – und auch des Films – steht dabei Allison, eine junge Frau, die ihren Hunger nach Erfahrung bald noch eine Nummer radikaler stillt als die Jungs in ihrer Clique: Bei einer Spritztour in den Osten L.A.s, in die echten Ghettos, lernt sie einen jungen Latino kennen, der mit Crack dealt. In einer Mischung aus Angstlust und Neugierde zieht es sie fortan mit Freundinnen oder alleine immer wieder in die Nähe dieses „echten“ Gangsters. Ein Spiel mit dem Feuer – nicht nur für das „poor little rich girl“ aus der Oberschicht, sondern auch für die Downtown-Latinos. So plakativ das Sujet sein mag, das sich die Dokumentarfilmerin Barbara Kopple in ihrem Spielfilmdebüt vornimmt: Es gelingt ihr und ihren Darstellern, vor allem der äußert differenziert spielenden Anne Hathaway, den Stoff klüger als etwa Larry Clark „Kids“ (fd 31 598) und ähnliche Filme zu nuancieren, die die Haltlosigkeit einer übersättigten oder perspektivlosen Jugend im gleichen Maße voyeuristisch ausschlachten, wie sie sie vordergründig problematisieren. Kopples Film hingegen legt hinter den provokativen Extremen der Jugendlichen etwas bloß, was essentiell zum Leben und speziell zum Jungsein gehört. Hinter der Suche nach dem extremen „Kick“ steckt letztlich das Spielen mit, aber auch das Leiden an Rollenbildern, wobei die Lust am Sich-Ausprobieren in in diesen Rollen, am Rebellieren gegen die einen und am Adaptieren der anderen paradoxerweise mit einer großen Sehnsucht nach Authentizität einher geht, nach den wahren Gefühlen, dem „richtigen“ Leben. Der Film schafft es, diese Sehnsucht freizulegen – und die Hemmnisse herauszuarbeiten, die sich ihr in Form von Gruppendruck und sozialen und ethnischen Schranken in den Weg stellen.
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