Sushi in Suhl

Tragikomödie | Deutschland 2012 | 107 (24 B./sec.)/103 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Carsten Fiebeler

Anfang der 1970er-Jahre verwandelt ein ehrgeiziger Wirt in Thüringen sein Weinlokal in ein japanisches Restaurant. Die zunächst argwöhnischen Behörden lenken ein, da sich der Laden als Devisenquelle entpuppt. Der Erfolg steigt dem Koch, der weit über die Grenzen der DDR hinaus bekannt wird, zu Kopf, was ihn seiner Familie und seinen Freunden fremd werden lässt. Harmlose Heimat-Tragikomödie, die sich zur sorglosen Farce bekennt und als unfreiwilliges Schauermärchen mit sentimentalem Wohlfühlfaktor anspruchslos unterhält. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
StarCrest Media/MDR
Regie
Carsten Fiebeler
Buch
Jens-Frederik Otto
Kamera
Gero Steffen
Schnitt
Monika Schindler
Darsteller
Uwe Steimle (Rolf Anschütz) · Julia Richter (Ingrid Anschütz) · Ina Paule Klink (Gisela) · Deborah Kaufmann (Elke Malaschke) · Thorsten Merten (Hans Leutner)
Länge
107 (24 B.
sec.)
103 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
18.10.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Tragikomödie | Heimatfilm
Externe Links
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Diskussion
Wer das zweifelhafte Vergnügen hatte, die von selbstherrlichen Kellnern in Geisel genommene gehobene Gastronomie der DDR zu testen, weiß um die Bescheidenheit ihres Angebots. Tschechische Sauerkrautsuppe und ungarischer Gulasch waren schon der Gipfel der Genüsse. Deshalb mutet die Idee eines Sushi-Restaurants in Thüringen fast schon absurd an. Aber auch im Arbeiter- und Bauernstaat scheint an Exzentrikern kein Mangel geherrscht zu haben. Verkörpert wird die authentische Figur des Rolf Anschütz von Uwe Steimle, dem „Ossi vom Dienst“. Der Sohn des inzwischen verstorbenen „Gourmets“ beglaubigt die kuriose Geschichte aus dem Off. Anfang der 1970er-Jahre animiert ihn ein Reisebildband zum Richtungswechsel seines Weinlokals: Von nun an verschreibt sich „Zum Waffenschmied“ der japanischen Küche. Was den Gerichten an Genauigkeit fehlt, ersetzt der ambitionierte Kochkünstler durch improvisierte Folklore, von Opernauftritten à la „Madame Butterfly“ über Kimonos aus Judo-Mänteln bis zu abgesägten Stuhlbeinen und Nacktbaden in winzigen Becken. Das eigenverantwortliche Treiben des kosmopolitisch gestimmten Querulanten stößt bei den realsozialistischen Behörden zunächst auf Misstrauen. Doch der Wendepunkt naht, als ihn seine Kellnerin aus den Wachträumen mit dem Schlachtruf weckt: „Chef, da draußen sitzt ein Schlitzauge, ein Japaner, ein echter Japaner, der extra aus Leipzig gekommen ist, und der will, dass sie für ihn kochen“. Als nach dem an der Jenaer Universität lehrenden Professor weitere DDR-Japaner das Restaurant entdecken und den Besitzer nicht nur mit echter Soja-Soße beliefern, sondern auch mit den begehrten Devisen, ruft das Parteifunktionäre auf den Plan, die um die wirtschaftliche Gunst der Asiaten buhlen. Plötzlich avanciert „Anschütz san“ zum Vermittler zwischen Ost und West. Es geht um nichts weniger als den Weltfrieden, was dem Provinzler einen gehörigen Höhenkoller verpasst. Hin und her gerissen zwischen seiner Frau und der politischen Mission, überlistet er eine Weile zwar die schwerfällige Bürokratie und wird mit einer Reise in sein Traumland belohnt, verliert aber im Privaten. Die an Harmlosigkeit kaum zu überbietende Heimat-Tragikomödie signalisiert schon optisch den Willen zur artigen Breitenwirkung. Die Farbsetzung fällt durch einen Stich ins künstlich Bunte auf, die DDR wirkt wieder einmal wie ein kurioses Disneyland, dem seine bevormundeten Bewohner durch die Flucht in die Fantasie zu entkommen versuchen. Wirklich komische Einfälle sind Mangelware; die vermeintlich lustigen Ausstattungsideen ermüden mehr als dass sie zünden. Die Regie stört sich erst gar nicht an der eindimensionalen Figurenzeichnung, ihr Bekenntnis zur sorglosen Farce und einem möglichst reibungslosen Pointenwechsel ist aber auch ihr Fluch. Das Drehbuch erweist mit seiner dünn dosierten Oberflächenkritik eines manisch überregulierenden Systems den ähnlich vergangenheitsresistenten Nachkriegsblödeleien eines Peter Alexander alle Ehre. Die Leichen im postdiktatorischen Keller sind auch hier tief genug vergraben, um der Lust am Vergessen durch verharmlosenden Klamauk freien Lauf zu lassen. Selbst Kindern dürfte dieses unfreiwillige Schauermärchen mit sentimentalem Wohlfühlfaktor schwer auf dem Magen liegen.
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