Drama | USA 2012 | 101 (24 B./sec.)/9 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Ira Sachs

Ein homosexueller New Yorker Filmemacher verliebt sich in einen Anwalt. Nach einer ersten glücklichen gemeinsamen Zeit tun sich nicht zuletzt aufgrund der Drogenabhängigkeit des Anwalts schmerzhafte Risse in der Beziehung auf. In enger Verschränkung von Arbeit und Leben, gelebter Realität und filmischer Wirklichkeit entwirft der Film ein offenes, unprätentiöses Bild der New Yorker Schwulen-Szene. Dabei überzeugt er durch seine intensive präzise Bildsprache, sein Gespür für erzählerischen Rhythmus sowie seine intime, nie aber voyeuristische Haltung gegenüber den Figuren. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KEEP THE LIGHTS ON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Parts and Labor/Tiny Dancer Films/Alarum Pic./Film 50
Regie
Ira Sachs
Buch
Ira Sachs · Mauricio Zacharias
Kamera
Thimios Baktatakis
Musik
Arthur Russell
Schnitt
Affonso Gonçalves
Darsteller
Thure Lindhardt (Erik) · Zachary Booth (Paul) · Paprika Steen (Karen) · Sebastian La Cause (Russ) · Julianna Nicholson (Claire)
Länge
101 (24 B.
sec.)
9 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
25.10.2012
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Der Vorspann zeigt Porträts nackter Männer, Einzelne und Paare, liegende Körper, Rückenansichten, Gesichter und Blicke. Es sind keine ausformulierten Malereien mit großer Geste, sondern farbentsättigte Aquarelle und Zeichnungen, überwiegend in Schwarz-Weiß- und Brauntönen, flüchtig und skizzenhaft. Bilder wie diese entstehen nicht aus der Distanz, sie gehen aus gelebten Situationen hervor; intim sind sie nicht nur in ihrer Darstellung von schwuler Erotik und Sexualität, sondern auch in ihrem Verhältnis zwischen Zeichner und „Objekt“ – einem Verhältnis, in das der Betrachter unmittelbar einbezogen wird. Diese Eröffnungsbilder, die von Arthur Russells „Close My Eyes“ begleitet werden, etablieren in gewisser Weise Stil und Tonfall des Films: eine große Intimität in der Zeichnung von Liebe und Begehren, ein Realismus, der ganz offensichtlich autobiografisch geprägt ist, aber dennoch ästhetischen Entscheidungen folgt, und eine Erzählung, die weniger gebaut als „hingeworfen“ und skizzenhaft wirkt. „Keep the Lights On“ handelt von einer Liebesbeziehung, die sich über einen Zeitraum von neun Jahren erstreckt – eine Geschichte, die das Alltägliche mit dem Außergewöhnlichen verbindet und das Persönliche mit dem universell Gültigen. Seine eigenen Erfahrungen hat Ira Sachs in die Filmfigur Erik verlegt, der wie er selbst als unabhängiger Filmemacher in New York arbeitet. Über eine Telefon-Dateline lernt er den Anwalt Paul kennen, einen etwas scheuen, jungenhaften Mann, der in einer heterosexuellen Beziehung lebt. Aus dieser Konstellation, die nur kurz als Hindernis aufscheint, macht der Film kein großes Thema: Erik und Paul werden ein Paar und ziehen zusammen. Nach einer anfänglich sehr glücklichen Zeit folgen erste Verstimmungen, die sich zu Krisen auswachsen und schmerzhafte emotionale Tumulte auslösen. Vor allem Pauls Crack-Konsum gefährdet die Beziehung; immer wieder verschwindet er für mehrere Tage und Nächte, lässt sich in die Sucht hineinfallen – ein zunehmendes Sich-Entziehen, das wiederum Erik immer abhängiger von seinem Partner macht. Auch die unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse sind Grund für Spannungen. Paul sieht sich als Angestellter eines großen Verlagshauses als jemand mit einem „richtigen Job“, während er Eriks sich über Jahre erstreckende Arbeit an einem nicht zu Ende kommen wollenden Film wohl nicht ganz ernst nimmt. Sachs hat seine eigene Dokumentation über den Fotografen, Homo-Aktivisten und Chronisten der New Yorker Schwulen-Szene Avery Willard in die Erzählung eingearbeitet – ein Projekt, das zeitgleich zu „Keep the Lights On“ entstand. Im Film gewinnt „In Search of Avery Willard“ bei den Berliner Filmfestspielen einen „Teddy-Award“ – den Preis, den im wirklichen Leben „Keep the Lights On“ bekommen hat. Diese selbstreflexiven Referenzen haben bei Sachs nie etwas Ausgestelltes; vielmehr stehen sie für die enge Verschränkung von Arbeit und Leben, gelebter Realität und filmischer Wirklichkeit. Der Film steht mit seiner selbstverständlichen und offenen Thematisierung von AIDS und Cruising ganz in der Tradition des „New Queer Cinema“, weist mit seiner losen Erzählung aber in eine neue Richtung. Auch von den formalen Experimenten seiner Vorgänger ist er weit entfernt, sucht keine explizit „andere“ Bildsprache, wirkt aber gerade in seiner vermeintlich klassischen Ästhetik unverbraucht und modern: Die wunderschönen, räumlich präzise komponierten 16mm-Aufnahmen des griechischen Kameramanns Thimios Bakatakis, der die „neue griechische Welle“ visuell stark mitgeprägt hat (u.a. „Attenberg“, fd 41 055), bringen die Bilder in warmen Farben zum Leuchten. Sachs hat zudem ein außergewöhnliches Gespür für Rhythmus, unprätentiöses Erzählen und das Verstreichen von Zeit; oft lässt er dramatische Situationen im richtigen Moment abbrechen statt sie dramaturgisch zu steigern und in die nächste Szene zu überführen; auch wird das Alltägliche mit ebenso viel Aufmerksamkeit bedacht wie das tief Erschütternde. Trotz seiner Zärtlichkeit und Intimität wahrt „Keep the Lights On“ immer eine gewisse Distanz. Es ist ein Film, der sich betrachten lässt wie die Aktbilder am Anfang: Man steht leicht abseits und ist doch ein Teil davon.
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