Rosia Montana - Ein Dorf am Abgrund

Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 103 (24 B./sec.)/99 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Fabian Daub

In einem Dorf in den Karpaten werden die Bewohner von einem kanadischen Bergbau-Unternehmen gedrängt, ihren Besitz zu verkaufen und umzusiedeln: An der Stelle des Dorfs soll ein Auffangbecken für Chemikalien angelegt werden, die beim Abbau von Silber und Gold anfallen. Der Dokumentarfilm sympathisiert deutlich mit den traditionsbewussten Dorfbewohnern; gleichwohl vermeidet er jede Idealisierung der dörflichen Lebenswelt und fesselt mit markanten Protagonisten und einer ausdrucksstarken Bildsprache. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Bildfolge Filmprod.
Regie
Fabian Daub
Buch
Fabian Daub
Kamera
Ulf Behrens
Musik
Zarada
Schnitt
Astrid Rieger · Fabian Daub
Länge
103 (24 B.
sec.)
99 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
25.10.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Das Karpatendorf Rosia Montana ist ein wunderschöner Flecken Erde; unberührte Natur, soweit das Auge reicht, Kühe und Schafe auf sattgrünen Wiesen und schmucke Häuser, vor denen unter üppig sprießenden Geranien ältere Frauen mit Kopftüchern sitzen und zufrieden in die Sonne blinzeln. So könnte es aussehen, wenn eine clevere Tourismusagentur das Nest als Postkarten-Idylle für zivilisationsmüde Großstädter vermarkten sollte. Doch von Unberührtheit kann in Rosia Montana schon lange nicht mehr die Rede sein. In dem Dorf wurde schon immer nach Gold und Silber gegraben, da unter seinen Hügeln die größten Vorkommen dieser Edelmetalle in ganz Europa lagern. Wo einst mit Spitzhacke und Schaufel gearbeitet wurde, haben längst industrielle Verfahren Einzug gehalten, wovon gigantische Tagebau-Minen in der Umgebung zeugen. Zur Auslösung des Goldes wird das Gestein erst fein zermahlen und dann mit Zyanid versetzt. Das hochgiftige Wasser-Chemikalien-Gemisch, das bei übrig bleibt, wird in riesige Auffangbecken geleitet, die wie trübe, künstliche Seen anmuten, in denen nach Umsiedlung der Bewohner bereits mehrere Dörfer verschwunden sind. Wenn es nach dem Willen der kanadischen Investoren geht, soll demnächst auch ein Großteil von Rosia Montana diesem Schicksal anheimfallen. Ein Vertreter des Konzerns tut vor Ort alles, um den Einwohnern den Verkauf ihres Grundbesitzes schmackhaft zu machen. Doch es regt sich Widerstand. Es ist ein gängiges Dokumentarfilm-Sujet, das Fabian Daub ins Zentrum seiner unkommentierten Langzeitbeobachtung stellt: Alteingesessene Bürger wehren sich gegen ihre Entwurzelung durch ein Projekt, das ihnen den so genannten Fortschritt bringen soll. Aber wenngleich der Autor hinsichtlich seiner Sympathien für die Tradition kaum Zweifel aufkommen lässt, lebt sein Film doch vom Bemühen, der Komplexität des konkreten Falls gerecht zu werden. So unterliegt er nicht der nahe liegenden Versuchung, Rosia Montana zur Idylle zu verklären, zeigt vielmehr schonungslos, dass es sich bei der Region mit ihren pittoresken Pferdefuhrwerken und schmucken Häuschen ohne Strom und fließendes Wasser um eine gänzlich unterentwickelte Region handelt. Weshalb der Riss in Rosia Montana mitten durch die Familien geht: Wo die Jugendlichen, so sie nicht ohnehin längst weggezogen sind, bar jeder Perspektive das Bergbau-Projekt befürworten, sind es vornehmlich die Alten, die an ihrem kargen Besitz festhalten. Unter ihnen hat Daub eine Schar wunderbar kauziger Charaktere gefunden, die teils mit bäuerlicher Schlitzohrigkeit ihre Sicht der Dinge darlegen. Auf der anderen Seite leidet die Brisanz des Films etwas darunter, dass die Befürworter des Projekts deutlich unterrepräsentiert sind. Außer dem Konzern-Beauftragten und dem Bürgermeister findet sich kaum jemand, der bereit wäre, die Pläne vor laufender Kamera zu befürworten. Eine Frau, die sich mit ihrer Familie in eine Retorten-Siedlung mit allem Komfort hat umsiedeln lassen, lobt zwar die Zentralheizung und Sauberkeit ihres neuen Heims, doch beim Gedanken an den nahenden Abriss ihres Elternhauses in Rosia Montana kommen ihr dann doch die Tränen. So sehr der Film durch seine Charaktere überzeugt, so eindrucksvoll sind auch die Bilder von Kameramann Ulf Behrens, der in ruhigen Einstellungen immer wieder Szenarien zu wunderbaren Stillleben verdichtet, aber auch den Blick für Kuriositäten hat, etwa ein David-Hasselhoff-Foto im goldenen Stuckrahmen in der Dorfkneipe.
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