Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 92 (24 B./sec.)/88 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Irene Langemann

Dokumentarfilm über die Arbeit des Komponisten und Musikers Bernhard König mit Senioren. Im Rahmen von zwei Projekten in einem Altenheim in Stuttgart sowie mit einem Chor in Köln bringt er alten Menschen musikalische Ausdrucksformen nahe. Die Struktur des Films wird dabei vom Hinarbeiten auf ein gemeinsames Konzert in Essen bestimmt, bei dem sich beide Projekte einbringen. Neben den Proben bietet die feinfühlige filmische Beobachtung ihren Protagonisten die Gelegenheit, aus ihrem Leben zu berichten. Ein fesselnder Film, in dem die Auseinandersetzung mit Musik und Klangkunst und die Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten virtuos ineinander spielen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Lichtfilm/SWR/WDR
Regie
Irene Langemann
Buch
Irene Langemann
Kamera
Dieter Stürmer · Lothar Heinrich · Volker Noack
Schnitt
Volker Gehrke
Länge
92 (24 B.
sec.)
88 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
17.01.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
absolut (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Nein, das sei ihr aber nun doch zu albern, erklärt die betagte Dame, als Bernhard König einen Koffer voller Herbstlaub auf dem Tisch eines Stuttgarter Seniorenheims auskippt und erklärt, das sei nun ihr Musikinstrument. Auch die anderen Gruppenmitglieder sind von dem Unrat nicht sonderlich begeistert, lassen sich aber dann überreden, beherzt in den raschelnden Haufen zu greifen, um dadurch Töne zu erzeugen. So experimentell geht es in dieser Dokumentation allerdings nicht immer zu, doch die Szene zu Beginn des Films macht die besonderen Qualitäten des Komponisten und Musikers Bernhard König und seiner Arbeit deutlich. Zum einen nimmt er seine Aufgabe, alten Menschen ungewöhnliche musikalische Ausdrucksformen nahe zu bringen, überaus ernst; zum anderen lässt er seinen betagten Schülern aber auch den Freiraum, ihr Unbehagen kundzutun oder sich zu verweigern. Natürlich muss die protestierende Seniorin den „Blödsinn“ mit den Blättern nicht mitmachen, wenn sie nicht mag. Zehn Monate lang hat die Filmemacherin Irene Langemann, die sich mit ihrer zweiteiligen Langzeitbeobachtung „Russlands Wunderkinder“ (fd 34 492) und „Konkurrenten“ (fd 39 862) als sensible Beobachterin musikalischer Erziehung präsentiert hat, den Künstler mit der Kamera begleitet. Das Geschehen spielt sich im Wesentlichen an zwei Orten ab: in einem Stuttgarter Seniorenheim und in Köln, wo der Musiker gemeinsam mit Kolleginnen einen Chor ins Leben gerufen hat, dessen Mitglieder mindest 70 Jahre alt sein müssen. Beide Gruppen bereiten sich auf ein gemeinsames Konzert in Essen vor, was dem Film eine gewisse Countdown-Dramaturgie gibt. Zur Markierung der Wechsel zwischen den Orten ist der Regisseurin dabei nichts anderes eingefallen, als ihren Protagonisten immer wieder an den jeweiligen Bahnhöfen zu zeigen, was aber so ziemlich das einzige Manko dieses über weite Strecken fesselnden Films bleibt. Es ist absolut faszinierend, wie es König gelingt, die zurückhaltenden Senioren aus der Reserve zu locken, sie zu motivieren, ihren Emotionen mittels ihrer mitunter eingerosteten Stimmen freien Lauf zu lassen. Wobei es ihm beim (Chor-)Gesang weniger um Wohlklang als um Authentizität geht. So finden sich neben den Proben immer wieder auch Szenen, in denen die Senioren aus ihren überaus bewegenden Biografien erzählen. Etwa die 78-jährige Magdalena, die schildert, wie sie, mit 14 Jahren schwanger, von ihrer Mutter regelmäßig verprügelt und von der dörflichen Umgebung geächtet wurde. Wenn die alte Dame heute dennoch voller Inbrunst und Überzeugung „Kann den Liebe Sünde sein?“ anstimmt, dann ist das geradezu ein Gänsehaut-Moment des Films. Ähnlich geht es einem, wenn ein ehemaliger Akkordeonspieler, der seit einem Schlaganfall sein Instrument nicht mehr spielen kann, zum ersten Mal an einem E-Piano sitzt und mit Tränen in den Augen entdeckt, dass zumindest seine gesunde Hand nichts verlernt hat. In solchen Momenten erinnert die Dokumentation an einen Film wie „Herbstgold“ (fd 39 959) über betagte Olympiateilnehmer. Ein souverän montierter Film, der sich darauf beschränkt, seine Akteure mit merklicher Sympathie zu beobachten und der dabei ohne Off-Kommentar oder in die Kamera gesprochene Statements der Beteiligten auskommt.
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