Typ-F - Der Film

- | Türkei 2012 | 115 (24 B./sec.)/110 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Ezel Akay

Episodenfilm über Insassen eines so genannten "Typ F"-Gefängnisses in der Türkei, in dem politische Gefangene lebenslang inhaftiert sind. Der von türkischen Arthouse-Regisseuren gedrehte und von einer politisch aktiven Folk-Rock-Band getragene Film setzt sich kritisch mit den Haftbedingungen auseinander. Stilistisch erscheint er trotz der vielen Beiträge eher kohärent; er verleugnet keineswegs seine Nähe zur "Agit-Prop"-Kunst, fesselt aber vor allem durch die engagierten Porträts seiner Protagonisten. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
F TIPI FILM
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Idil Yapim/Ottoman Yapim
Regie
Ezel Akay · Mehmet Ilker Altinay · Aydin Bulut · Hüseyin Karabey · Sirri Süreyya Önder
Musik
Grup Yorum
Schnitt
Gürcan Cansever
Darsteller
Arda Tekin · Behiç Asçi · Elif Pirhasan · Ezel Akay · Göksin Sanlav
Länge
115 (24 B.
sec.)
110 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
27.12.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Diskussion
Seitdem im Jahr 2000 die so genannten „Typ F“-Gefängnisse in Betrieb genommen wurden, in denen vor allem politische Gefangene, zumeist Angehörige militanter linker Gruppierungen, ihre lebenslangen Freiheitsstrafen absitzen, kommt die Diskussion über die Isolationshaft in der Türkei nicht zur Ruhe. Der von der Folk-Rock-Gruppe Grup Yorum, die der Untergrundorganisation „Revolutionäre Volksbefreiungspartei – Front“ (DHKP-C) nahe steht, produzierte „F Tipi Film“ ist der dritte Beitrag über die umstrittenen Gefängnisse, der in kürzester Zeit in der Türkei in die Kinos kam. Die zehn Kurzfilme à zehn Minuten pendeln zwischen humanistischer Anklage, offener Parteinahme und stilistisch ambitioniertem Arthouse-Kino. Mit Hüseyin Karabey, Reis Çelik und Ezel Akay sind auch einige populäre Autorenfilmer dabei. Der Vorspann gibt die Marschrichtung vor, indem er den Film jenen „122 Revolutionären“ widmet, die im Kampf gegen die Isolationshaft ihr Leben verloren haben. In der Folge von Protestaktionen wie Todesfasten und Selbstverbrennungen sowie durch den Polizeieinsatz bei der Erstürmung von drei Hochsicherheitsgefängnissen im Dezember 2000 kamen mehr als 100 Menschen ums Leben; noch weit mehr wurden durch Willkürmaßnahmen und Folter verletzt oder leiden an den Spätfolgen der Hungerstreiks. „Typ F“ zeigt Alltag und Schicksal von zehn Gefangenen, zehn Leben, die sich bis zum Tod in elf Quadratmeter großen Zellen abspielen, mit Ausgang auf einem 42 Quadratmeter großen Hof, umgeben von hohen, weiß gekalkten Wänden. Die meiste Zeit verbringen die Gefangenen allein, was Absprachen von Protestaktionen verhindern soll. Im Vordergrund steht die psychische Belastung durch die Einzelhaft. Menschen, die nervös von Wand zu Wand ihres Käfigs laufen, „Reinigungsmittel-Orhan“, der in einem Kassiber einen Käfer findet und diesen als Haustier pflegt und füttert, die junge Cigden, die an Amnesie leidet, der Kämpfer Muharrem, der Nachfragen einer parlamentarischen Menschenrechtsdelegation mit schwarzem Humor erwidert: Mit welchem moralischen Recht werden hier Erleichterungen diskutiert, wenn dem Gefangenen bereits das Grundbedürfnis auf zwischenmenschliche Nähe verweigert werde? Als Konzeptfilm – neun der zehn Episoden spielen am selben Ort, in den Gefängniszellen – ist „Typ F“ ausgesprochen kohärent, zumal die künstlerischen Handschriften nah beieinander liegen. Langsam im Erzählrhythmus, entwickelt sich schnell eine Nähe zu den Protagonisten, ohne zunächst allzu deutliche Botschaften auszusprechen. Einige der Kurzfilme, etwa der von Ezel Akay, der das Zwiegespräch zwischen einem Wärter und einem inhaftierten Journalisten über die Einsamkeit als philosophischen Dialog gestaltet, entwickeln große Klasse. Bemerkenswert auch der Beitrag, bei dem Mitglieder der Grup Yorum selbst Regie führten: Das zehnminütige Close-Up auf das Gesicht einer 70-Jährigen, die im Gefängnis ihren Sohn besuchen will und vom Wachpersonal aufgefordert wird, sich zuvor auszuziehen, reflektiert treffend das Verhältnis von Willkür und verlorener Menschenwürde. Dabei ist „Typ F“ ein Arthouse-Projekt, das seine Nähe zum Gesinnungsfilm nicht verleugnet. Nachdem sich der Gefangene Muharrem selbst verbrannt hat, begleitet ihn ein kämpferischer Protestzug auf seinem letzten Weg: in die Luft gereckte Fäuste, rote Fahnen, Fackeln. Eine Demonstration, deren Pathos seltsam gestrig wirkt, aber durchaus kämpferisch gemeint ist. Der Grup Yorum geht es darum, staatliche Willkür aufzuzeigen oder, wie in ihren zum Teil auf Kurdisch und Lasisch gesungenen Liedern, ethnische Gleichberechtigung einzufordern, aber eben auch um eine andere, eine sozialistische Türkei. Das Leid, das in „Typ F“ gezeigt wird, ist daher nicht nur Leid, sondern auch Station in einem politischen Kampf, dessen Front klar zwischen „Wir“ und dem „System“ verläuft. Agit-Prop mit Zwischentönen: Die Suche der Familienangehörigen nach einem Sarg für den Verstorbenen gehört in diesem Zusammenhang zu den interessantesten Plots. Ein „Typ F“-Gefängnis kann man, ob politischer oder „normaler“ Gefangener, nur tot verlassen. In der Schreinerwerkstatt treffen Muharrems Verwandte auf einen geschwätzigen Kunden, der ihnen ungefragt einen Preisvergleich zwischen verschiedenen Tischlern referiert. So banal ist das Leben da draußen: „Der da drinnen hat sich verbrannt, nachdem er sich zu Tode gehungert hat, und der hier faselt die ganze Zeit von einem Esstisch“, bemerkt der Schreiner Osman sarkastisch.
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