Die Sonnengöttin

Drama | Deutschland 1992 | 110 Minuten

Regie: Rudolf Thome

Ein "Wink des Schicksals" bringt ein junges Paar nach Griechenland, wo es den Urlaub zur Suche nach dem Leben, der Liebe und der Kunst nutzt. Ein an seinen großen Ambitionen gescheiterter Film, der zunehmend in Kitsch abgleitet und seine Sinnsuche wie einen Selbsterfahrungsworkshop darstellt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Moana-Film
Regie
Rudolf Thome
Buch
Rudolf Thome
Kamera
Reinhold Vorschneider
Musik
Chico Hamilton
Schnitt
Dörte Völz
Darsteller
Radhe Schiff (Martha Ashberger) · John Shinavier (Richard Todd) · Susan Chesler (Mädchen ohne Wohnung) · Marie Soranno (Dame mit dem Scheck) · Chico Hamilton (Portier)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
An Rudolf Thome scheiden sich seit jeher die Geister. Seit er 1968 mit seinem Gangster-Märchen "Detektive" (fd 16 198) seinen ersten Spielfilm drehte, hat er sich selten um Kinokonventionen gekümmert, aber es dennoch geschafft, im Schnitt alle zwei Jahre das Geld für einen neuen Film aufzutreiben. Bis auf Ausnahmen wie "Berlin Chamissoplatz" (fd 22 728) oder "Der Philosoph" (fd 27 536) nicht eben mit Preisen überhäuft, fanden seine kleinen, oft mit sprödem Charme erzählten Geschichten und Komödien aber immer eine kleine, treue Fan-Gemeinde. Mit "Die Sonnengöttin" aber, Thomes 15. Film, dürfte selbst die ihre Schwierigkeiten haben.

Richard, ein amerikanischer Filmkritiker, kommt nach Berlin, um ein Buch über Murnau zu schreiben. Gleichzeitig bietet ihm der Trip Gelegenheit, seine Geliebte Martha wiederzusehen, die er in New York kennenlernte und die nun als Malerin in Berlin lebt. Gemeinsam wandern sie durch die wiedervereinigte Stadt. sehen sich im Archiv Murnau-Filme an und besuchen dessen Grabstätte. Dabei entdecken sie auf einem Nachbargrab eine kleine weibliche Figur aus Stein, deren Gesichtsausdruck sie auf Anhieb fasziniert. Sie bringen in Erfahrung, daß es sich um die Nachbildung einer Plastik der Sonnengöttin Akrotiri handelt, die bei Ausgrabungen auf der griechischen Insel Santorin gefunden wurde und nun in einem Athener Museum steht. Als beide später Fotos betrachten, die Richard von der Statue auf dem Berliner Friedhof gemacht hat. fällt Martha ein Bild ein. das ihr Vater seinerzeit von seiner damals einjährigen Tochter in exakt derselben Pose am Strand von Santorin aufgenommen hat. In der Ahnung (oder Hoffnung). daß hier vielleicht andere Kräfte als der schnöde Zufall eine Rolle spielen könnten, beschließen die Verliebten, nach Griechenland zu fahren. Was ihnen dort wiederfährt, ist eine Mischung aus Sommerurlaub und unbestimmter Suche nach Großem: das Leben, die Liebe, die Kunst.

Wer sich auf derart dünnes Eis wagt und das Ganze nicht "ein paar Nummern kleiner" hat, der läuft natürlich Gefahr, einzubrechen. Die Verbindung von (trivialem) Alltag und (idealem) Erhabenem mißlingt Thome beispielhaft, weil - kurz gesagt - der Alltag ständig zu erhaben und das Erhabene zu trivial daherkommt. Da ist nicht nur die Liebe zwischen Richard und Martha von einer entrückten Reinheit bar aller lächerlichen Banalität realexistierender Beziehungen, sondern auch beider Tun bedient jedes erdenkliche Klischee geistig-künstlerischer Arbeit: Wo er, spät heimkommend, in der Nacht sein Laptop aufklappt und Gedankenschweres in die Tastatur tippt, schleicht sie sich frühmorgens aus dem Bett des Geliebten, um mit Pinsel und Farbe der Kunst zu frönen. Auf der anderen Seite wirkt ihre Ursprungssuche auf der griechischen Insel - die Stelle, an der einst Marthas Kindheitsfoto entstand, wird dabei zum mythischen Ort der (Wieder-)Begegnung - unversehens wie ein Selbsterfahrungsworkshop. Wenn Martha in der entscheidenden Szene im Morgengrauen um ein Lagerfeuer am Strand tanzt und Richard sie dabei wie gebannt fotografiert, droht der magische Moment, den Thome hier einzufangen versucht, unwillkürlich in Kitsch abzugleiten. Nicht, daß Thome die Szene überfrachtet, es ist vielmehr sein hartnäckiges Vertrauen in die Reinheit und Schönheit der Bilder, das sich nicht darum schert, in welchem Maße eine alltägliche Bilderflut derartige Motive längst besetzt und ausgehöhlt hat.

Mit den Dialogen ist es dasselbe Dilemma: so sehr Sätze wie "Du bist mir so unglaublich vertraut" oder "Jeder Ort hat sein eigenes Geheimnis", dargeboten ohne jeden Anflug von Ironie, an erhabene Gefühlsregungen appelieren mögen, so schwer kann man ihnen folgen. ohne unwillkürlich an Soap-Operas oder Werbespots erinnert zu werden. Auch wenn die "Die Sonnengöttin'" den Eindruck vermittelt, als wolle Thome auf den Spuren französicher Meisterregisseure wie Rivette oder Rohmer wandeln, werden doch in jeder Szene die Mängel dieses Unterfangens deutlich. Nicht zuletzt deshalb, weil die beiden amerikanischen (Laien-)Darsteller Radhe Schiff und John Shinavier in dem kargen Zweipersonenstück auch nicht annährend zu jener Präsenz gelangen, die dieses ambitionierte Unternehmen retten könnte.
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