Drama | Deutschland/Belgien 2013 | 117 (24 B./sec.)/112 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Marc Rothemund

Eine 21-Jährige steht vor dem Start ins Studentenleben, als ihr eine Krebserkrankung einen Strich durch die Rechnung macht. Mit Partys, einer neuen Liebe und wechselnden Perücken versucht sie, die Tortur von Chemotherapie und Bestrahlung abzumildern. Nüchtern und doch frech stimmt die Verfilmung des autobiografischen Romans von Sophie van der Stap in die Kampfansage ihrer jungen Figur gegen den Tod ein und distanziert sich dabei wohltuend von den melodramatischen Zwängen des Genres. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Belgien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Goldkind Film/Scope Pic./Degeto Film/Universum Film
Regie
Marc Rothemund
Buch
Katharina Eyssen
Kamera
Martin Langer
Musik
Johan Hoogewijs
Schnitt
Simon Gstöttmayr
Darsteller
Lisa Tomaschewsky (Sophie) · Karoline Teska (Annabel) · David Rott (Rob) · Peter Prager (Vater Wolfgang) · Maike Bollow (Mutter Inge)
Länge
117 (24 B.
sec.)
112 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
28.03.2013
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Universum (16:9, 2.35:1, dts-HD dt.)
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Diskussion
Es ist kurz vor Mitternacht, das letzte Mal im Jahr 2004. Gleich werden die Silvester-Böller das neue Jahr begrüßen. Annabel wünscht sich einen Mann, der endlich bei ihr bleibt. Im Gegenzug will Sophie ganz viele Männer, die ganz schnell wieder abhauen. Mit ihren 21 Jahren stehen die beiden besten Freundinnen kurz vor dem Start ins Studium und damit in die Selbständigkeit. Stolz wird das zukünftige WG-Zimmer über die Laptop-Kamera präsentiert und die Zukunft in den buntesten Farben ausgemalt. Bis die vom Dauerhusten geplagt Sophie eine furchtbare Diagnose erhält: Krebs. Der Tumor sitzt in der Lunge. Bis zum Gehirn dringt die Nachricht zunächst gar nicht vor, sondern trifft mit voller Wucht das Herz. Die Mutter, die einst den Brustkrebs überwand, will ihre Erfahrungen weitergeben. Der Vater arbeitet sich ins Thema ein und hängt sich dem behandelnden Arzt an die Fersen. Und die Tochter? Die flüchtet sich ins Leben, geht Tanzen und kauf sich nach und nach eine Perücken-Sammlung zusammen, als die Chemotherapie ihr die Haare raubt; je nach Stimmungslage setzt sie jeden Tag eine andere Haartracht auf. Die Amsterdamerin Sophie van der Stap schrieb sich mit „Heute bin ich blond. Das Mädchen mit den neun Perücken“ ihre eigene Tumor-Diagnose von der Seele. Schon während der anstrengenden Krebsbehandlung erzählte die junge Autorin in einem Blog von ihrer Gratwanderung zwischen Strahlenbehandlung und Disco-Kugel, zwischen Tod und exzessiver Lebensfreude. In ihrem Roman konterkariert ihr schnodderig ungeschminkter Zungenschlag die unfassbare Prophezeiung eines jungen Todes und ist dabei zugleich Kampfansage, in die auch die Verfilmung einzustimmen versucht. Der aufmüpfige Tonfall gegenüber dem Unaussprechlichen wird durch Sophies Voice-Over-Erzählung ersetzt, die einen Einblick in ihre Gedankengänge, ihre Ängste und Hoffnungen gewähren will. Die Leichtigkeit der Vorlage will oder kann das nicht erreichen. Zu ernüchternd sind die Bilder der Behandlungsfolgen, als dass sie von lockeren Sprüchen und der inszenatorisch auch noch vernachlässigten Perücken-Flucht übertüncht würden. Diese Bebilderung ist Clou und zugleich auch Crux des Bildermediums Film, das die zunehmende Beschäftigung mit der Krankheit und ihren Implikationen auf der Leinwand schwer erträglich macht. Was die Welle von Krebs-Filmen in den letzten Jahren aber auch mit sich bringt, ist die Erkenntnis, dass mit einer frühen Diagnose auch die Heilungschancen steigen und immer mehr Autoren die Zeit geschenkt wurde, ihre Krankheit im Schreiben zu verarbeiten. Im Gegensatz zu amerikanischen Melodramen wie „Restless“ (fd 40 690) oder „Kein Mittel gegen Liebe“ (fd 40 672), in denen junge Frauen einen verzweifelten Partner und schlechte Prognosen an die Seite gestellt bekamen, bildet „Heute bin ich blond“ wohl eine Ausnahme. Vor allem, was die Selbständigkeit einer Hauptfigur angeht, die sich als verliebter, aber selbstgenügsamer Single durch die Krebstherapie schlagen muss und dabei das Leben in sich trägt – nicht zuletzt, weil durch die autobiografische Ebene klar ist, dass die Erzählerin überlebt haben muss. Die Inszenierung von Marc Rothemund nimmt dabei eine trocken-nüchterne Erzählhaltung an, die weder verharmlosen noch zu Tränen rühren möchte. Damit distanziert sich der Film auch vom niederländischen Drama „Love Life“ (fd 40 678), das die autobiografischen Erlebnisse des Partners einer Krebskranken mit all seinen Egoismen und Fehltritten, aber auch mit vollem Tränenpotential verfilmte. Rothemunds Abkehr vom melodramatischen Impetus und der wohltuenden Fokussierung auf eine junge Frau, die sich ihre Lebensfreude auch nicht angesichts des Todes nehmen lässt, macht „Heute bin ich blond“ zwar nicht zu der Komödie, als die sie vermarktet wird. Aber sie verleiht dem Stoff jene erträgliche Note, die ihm das erzählerisch vernachlässigte Aufsetzen der Perücken nicht geben kann.
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