Nach der Revolution (2012)

Drama | Frankreich/Ägypten 2012 | 129 (24 B./sec.)/123 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Yousry Nasrallah

Die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen einem mittellosen Reiter aus einem Beduinenviertel in Gizeh, der im Auftrag des ägyptischen Präsidenten Mubarak Demonstranten verprügelt, und einer engagierten Frau, die für den arabischen Frühling kämpft. Der Inszenierung geht es dabei mehr um eine Annäherung der Schichten als um eine "amour fou". Ein vielschichtiges Panorama des postrevolutionären Ägyptens, dem es zwar an dramaturgischer Stringenz mangelt, das aber in seiner Mischung aus semi-dokumentarischen und melodramatischen Szenen gerade durch seinen unfertigen Charakter eine authentische Radiografie einer Gesellschaft in der Revolte liefert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BAAD EL MAWKEAA
Produktionsland
Frankreich/Ägypten
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Siècle Productions/Studio 37/New Century/Dollar Film/France 3 Cinéma
Regie
Yousry Nasrallah
Buch
Yousry Nasrallah · Omar Shama
Kamera
Samir Bahsan
Musik
Tamer Karawan
Schnitt
Mona Rabi
Darsteller
Menna Shalabi (Reem) · Bassem Samra (Mahmoud) · Nahed El Sebaï (Fatma) · Salah Abdallah (Haj Abdallah) · Phaedra (Dina)
Länge
129 (24 B.
sec.)
123 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
30.05.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama

Heimkino

Verleih DVD
Polyband (16:9, 1.78:1, arab./dt.)
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Diskussion
Unvermittelt preschen Reiter in die Menschenmenge auf den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos und schlagen mit langen Holzknüppeln auf die Demonstranten ein: Irregeleitete Beduinen auf Pferden und Kamelen, bezahlte Schläger des Mubarak-Regimes aus einem armen Stadtviertel Nazlet am Rande der Pyramiden von Gizeh, die den Abstieg in das Lumpenproletariat fürchten. Ihr Feind, so war ihnen gesagt worden, sei die intellektuelle Stadtopposition, die das Land ins Chaos stürzen wolle und die Schuld daran sind, dass keine Touristen mehr ins Land kämen. Der Film beginnt mit beeindruckenden Amateuraufnahmen von den brutalen Zusammenstößen. Die Bilder von der „Die Schlacht der Kamele“ am 2. Februar 2011 gingen um die ganze Welt, weil Dutzende getötet und Hunderte verletzt wurden; die blutigen Auseinandersetzungen gelten als Wendepunkt des 18-tägigen Aufstandes gegen das Regime. Mahmoud (Bassem Samra), einer von Mubaraks Reitern, wird von empörten Demonstranten vom Pferd gerissen und verprügelt. Vor seinen Kollegen und Nachbarn verliert er seine Ehre, er wird über die Bilder auf Youtube weltweit lächerlich gemacht. Regisseur Yousry Nasrallah erzählt eine Geschichte hinter den Fernsehbildern. Mahmoud verliert nach den Ereignissen auf dem Tahrir Platz seine Arbeit und bekommt kaum noch Futter für sein Pferd zusammen. Immer haben er und seine Frau hart gearbeitet, damit es ihre beiden Söhne einmal besser haben. Jetzt steht er vor dem Nichts; seine Söhne werden in der Schule als Kinder eines „Ehrlosen“ gemobbt. In dieser nahezu aussichtslosen Situation lernt Mahmoud Reem (Menna Shalabi) kennen, eine junge moderne Ägypterin aus einer ganz anderen Welt. Sie arbeitet in der Kommunikationsbranche, steht kurz vor der Scheidung und ist engagierte Vorkämpferin des „arabischen Frühlings“, auch Mitarbeiterin einer NGO, die die Einwohner der ärmeren Viertel unterstützen will. Mahmouds und Reems Begegnung ist eine Art „amour fou“, der melodramatische Urstoff einer Liebe zwischen unterschiedlichen sozialen Klassen und politischen Lagern, eine unmögliche Liebe über tiefe Gräben hinweg. Reem will ein neues Ägypten, Mahmoud hingegen, dass alles wieder so wird wie früher. In „Nach der Revolution“ geht es allerdings weniger um eine unmögliche Liebe, sondern mehr um die mögliche Annäherung zwischen den Schichten einer zerrissenen Gesellschaft. Yousry Nasrallah zeigt die Ernüchterung nach der Euphorie, den grauen Alltag nach dem vermeintlichen Frühling, die ungelösten Probleme des Landes zwischen extremen Wohlstandsgefälle, archaischen Bildungsunterschieden. Sein Film verfällt nicht ins Seichte, Melodramatische, sondern macht deutlich, dass nicht romantische Liebe, sondern nur Dialog und Vernunft helfen, die Klassenunterschiede zu bekämpfen. Dafür steht beispielsweise die Freundschaft von Reem und Mahmouds Frau Fatma, die die Rivalin aus der Stadt zunächst für eine Ausländerin hält. Gemeinsam mit der NGO versucht Reem, gewerkschaftliche Strukturen unter den mittellosen Reitern zu etablieren. Reems Engagement in Mahmouds Viertel verärgert jedoch den Großgrundbesitzer Haj, der die besitzende Kaste Ägyptens verkörpert, die eigentlichen Herrscher des Landes, die bislang noch jeden Umsturz überlebt haben. In einer demütigenden Szene – Mahmoud muss neben der fahrenden Limousine herlaufen, während Haj ihm Anweisungen gibt – soll sich Mahmoud für Reem oder für ein ruhiges Leben in Nazlet entscheiden. Doch als Mahmoud bereit ist, als bewaffneter Leibwächter für Haj zu arbeiten, droht Fatme ihn mit den Kindern zu verlassen. „Nach der Revolution“ spielt zwischen dem 2. Februar 2011, der „Schlacht der Kamele“ und dem 9. Oktober 2011, dem „schwarzen Sonntag“ als eine friedliche Demonstration vor dem staatlichen Fernsehsender mit 34 Toten und zahlreichen Verletzten endete. Auch Mahmoud ist jetzt wieder unter den Demonstrierenden, diesmal auf der richtigen Seite, aber das wird ihm zum Verhängnis.
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