Drama | Deutschland/Frankreich 2013 | 84 (24 B./sec.)/80 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Nicolas Wackerbarth

Eine junge Schriftstellerin verbringt ihren Sommerurlaub in Südfrankreich im Haus eines Freundes und eventuellen Liebhabers. Als dieser sie dort nicht wie erwartet trifft, richtet sie sich erst einmal mit den Kindern des Mannes in dem Anwesen ein und verbringt die Tage im Wartemodus, mit Jugendlichen aus dem Ort und In-den-Tag-hinein-leben. Auch wenn der Film, der sich im Stil der Berliner Schule auf die auf der Stelle tretende Befindlichkeit seiner Hauptfigur einlässt, einige Déjà-vu-Erlebnisse aus ähnlichen Filmen evoziert ("Alle Anderen", Marseille"), gelingt es ihm, mit seinem atmosphärischen Porträt eines "Thirtysomething" zu fesseln. Maßgeblichen Anteil daran hat auch die eindrucksvolle Hauptdarstellerin. (Teils O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
unafilm/Les Films d'Antoine
Regie
Nicolas Wackerbarth
Buch
Nicolas Wackerbarth
Kamera
Reinhold Vorschneider
Schnitt
Janina Herhoffer
Darsteller
Anne Ratte-Polle (Merle) · Emma Bading (Emma) · Leonard Proxauf (Felix) · Nathalie Richard (Olga) · Maren Kroymann (Johanna)
Länge
84 (24 B.
sec.)
80 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
01.08.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
farbfilm (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Nicolas Wackerbarth, Mit-Herausgeber von „Revolver“, schwebte für sein Langfilmdebüt „ein Thriller über einige ereignislose Tage“ vor. Herausgekommen ist dabei eine Fleißarbeit aus Versatzstücken der bisherigen Höhepunkte der Berliner Schule. Die landläufig bekannte Ästhetik sitzt vorbildlich, der Inhalt ist eine Mischung aus „Alle Anderen“ (fd 39 348), „Marseille“ (fd 36 715) und „Ferien“ (fd 38 191). Wie dort gerät eine Vertreterin der bundesrepublikanischen Enddreißiger im Urlaub ins Grübeln. Wie lange lässt sich der Zustand der fortgeschrittenen Jugend aufrechterhalten? Bringt es immer noch Vorteile, den Erwartungen des Umfelds aus dem Weg zu gehen? Droht nicht längst der Selbstbetrug, wenn die Vielfalt an Optionen zusehends schrumpft und die Tatenlosigkeit über den eigenen Anspruch triumphiert? Lässt sich das Leben in der Rolle des über jeden Kompromiss erhabenen Beobachters aussitzen? Bevor im Finale ein Richtungswechsel anklopft, schaut man der Heldin beim Äpfelessen, Schwimmen und Laptop-Anstarren zu. Die Schriftstellerin ist einer Einladung in eine Ferienvilla an der Côte d’Azur gefolgt, nicht nach Marseille, wie einst Angela Schanelecs einsame Fotografin, die sich mit Zufallsbekanntschaften durch die Stadt treiben ließ. Das südfranzösische Flair fließt trotzdem ähnlich beiläufig in einen prekären Lebensabschnitt hinein, der mehr Fragen als Fluchtmöglichkeiten aufwirft. Anstatt des Noch-Freundes oder Schon-Liebhabers – die nähere Beziehung zum Villenbesitzer Romuald lässt sich anhand der wenigen konfliktgeladenen Telefonate nur erraten – wird der Gast von einer verschlossenen Toreinfahrt begrüßt. Doch Szenen zu machen liegt der subtil in ihre Schranken gewiesenen Merle nicht, weswegen sie geduldig auf die Ankunft eines Schlüsselüberbringers wartet. Fortan teilt sie sich die bürgerlich linksliberale Idylle mit einer Putzfrau und den Kindern des Abwesenden. Das tagelange „Warten auf Romuald“ sollen wechselnde Rollenspiele überbrücken. In Erwartung einer amourösen Versöhnung kauft sich die ansonsten eher kopfgesteuerte Besucherin ein neues Kleid, zupft sich störende Schamhaare aus und versinkt in Lethargie, als der Hausherr seine vermeintliche Rückkehr platzen lässt. Mal gibt sie die fürsorgliche Ersatzmutter, die um die Gunst der launigen Kinder kämpft, mal verunsichert sie das Viertel in Begleitung einer Mofa-Clique, die den anstrengenden Sprachkurs mit Drogen und schnellem Sex im Luxus-Sommerhaus der Eltern kompensiert. Trotz des großen Altersunterschieds scheint Merle es zu genießen, in ein früheres, sorgenfrei experimentierendes Ich zu schlüpfen, bis ihr der explizit plumpe Annäherungsversuch von einem der Jugendlichen die Vergeblichkeit der Situation vor Augen führt. Es führt kein Weg zurück, aber vielleicht aus dem Stillstand heraus. Von einer Stunde auf die andere bricht Merle das Kapitel Romuald ohne Aussprache ab. Sein lang ersehntes Auftauchen kann an ihrer Entscheidung nichts mehr ändern. Sie flieht aus dem Haus, ohne Spuren zu hinterlassen, wie ein Phantom, das endlich aus dem zwar risikofreien, aber auch konstant lauwarmen Halbschatten treten möchte. Nicht ohne Grund verwischt sich das letzte Bild in der Anonymität der nächtlichen Boulevards, die Prognose ist schlecht, aber nicht hoffnungslos. Die schönsten Momente dieses trotz aller repetitiven Déjà-vus sehenswerten Frauenporträts gelingen, wenn die Kamera der selbst noch hinter dem Sonnenhut überaus präsenten Anne Ratte-Polle beim süßen Nichtstun assistiert. Dann gönnt sich die vergehende Zeit tatsächlich so etwas wie Gnade. Das leidvolle Ringen um den optimalen Selbstentwurf bekommt eine Pause, und ihre Figur genügt sich in der Haltung eines nah am Poolwasser ausharrenden Chamäleons, das die Zärtlichkeiten von Eidechsen und fallenden Blättern mit sichtlichem Wohlbehagen genießt. Leider kennt man auch diese Oasen der Weltentrücktheit schon von den artverwandten Regie-Kollegen, deren Vokabular ihr treuer Schüler Wackerbarth zwar beherrscht, aber nicht weiterzuentwickeln vermag. Immerhin ist die Besetzung der Hauptrolle ein Geschenk, mit einer viel beschäftigten Theaterschauspielerin, die im deutschen Film trotz Auftritten bei Romuald Karmakar oder Andreas Dresen schmerzlich zu kurz kommt. Auf ein Wiedersehen mit ihr wartet man länger als nur einen Sommer.
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