König von Deutschland

Komödie | Deutschland 2013 | 97 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten

Regie: David Dietl

Ein in den Alltagsroutinen seines langweiligen Lebens verloren gegangener Mann wird von der Marktforschung als Prototyp des durchschnittlichen Konsumenten entdeckt und fortan permanent um seine Meinung gefragt. Kabarettistische Komödie, die vor den Abgründen ihres Themas zurückschreckt. Der Film stößt eine Vielzahl von Diskursen an, ohne sie weiter zu verfolgen. Auf Dauer vermisst man schrillere Töne, die aus dem brisanten Stoff mehr als nur launige Unterhaltung gemacht hätten. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Frisbeefilms/Kaissar Film/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)/ARTE/ Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB)
Regie
David Dietl
Buch
David Dietl
Kamera
Felix Novo de Oliveira
Musik
Francesco Wilking · Patrick Reising
Schnitt
Robert Rzesacz
Darsteller
Olli Dittrich (Thomas Müller) · Veronica Ferres (Sabine Müller) · Wanja Mues (Stefan Schmidt) · Katrin Bauerfeind (Ute) · Jonas Nay (Alexander Müller)
Länge
97 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
05.09.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Olli Dittrich alias Thomas Müller ist der genaue statistische Durchschnitt des Deutschen. Eine Goldgrube für Meinungsforscher. Die Geschichte, die Regisseur David Dietl um diese Figur entwickelt, ist unübersehbar die Cabaretversion von Peter Weirs „Die Truman Show“ (fd 33 417). Cabaretfilme sind ein spezifisch deutsches Phänomen, und dieser Film funktioniert wie eine Kreuzung zweier bekannter Muster, nämlich von „Berliner Ballade“ (fd 215) von Robert A. Stemmle und Käutners „Der Traum von Lieschen Müller“ (fd 10 772). Dietl hat intensiv recherchiert, wie es in der Branche der Meinungsforscher zugeht, und es ist zugegebenermaßen erschreckend, dass die Befragung von 1000 Deutschen ausreicht, um einen Trend mit einer fünfprozentigen Sicherheit zu definieren. Mit seinen Recherchen hätte Dietl womöglich besser einen Dokumentarfilm im Stil von Hartmut Bitomsky gedreht. Die Entscheidung für eine kabarettistische Form ist bekanntermaßen nicht im klassischen Sinn filmisch und erfordert Mut zum Schrillen in Form und Inhalt. Mit der Idee des Durchschnittlichen hat sich die Regie dabei gewissermaßen selbst ein bisschen torpediert. Olli Dittrich ist sicher keine verkehrte Wahl, aber etwas mehr Adam Sandler hätte ihm gutgetan. Die verrückte Welt der Meinungsforschung ist ein Thema, das geradezu nach postmodernen Formen schreit. Der Film stößt eine Vielzahl von Diskursen an, ohne diese weiter zu verfolgen. Olli Normalverbraucher wird zum Maß aller Dinge; jede Meinungsäußerung von ihm wird heimlich von Industrie und Politik umgesetzt. Doch ist dieses Mittelmaß nun gut oder schlecht? Diese Frage hat es in sich. Der Olli Normalverbraucher hat zwar durchaus staatstragende Ideen (Bildung, Naturschutz, Infrastruktur). Er könnte aber auch die Todesstrafe für Triebtäter fordern oder andere mehrheitsfähige Dinge. Davor drückt sich der Film allerdings. Es gibt verschiedene Stränge, die alle nur angetippt werden. Wie skurril ist das Normale? Was (außer der Marktwirtschaft) spricht dagegen, wenn alle VW-Golf fahren? Wie agiert der Held mit seiner Macht? Wie reagiert der Held auf seine gewaltsame Vereinnahmung mit Überwachung und schließlich sogar Freiheitsberaubung? Als radikal zu Ende gedachter Plot hätte das sehr viel spannender werden können, auch wenn die Inszenierung kaum über die Mittel von Terry Gilliams „ Brazil“ (fd 25 074) hätte verfügen können. Das riecht nach öffentlich-rechtlicher Unverbindlichkeit: Zum Schluss wird der Held ein ganz normaler mongolischer Aussteiger. Vor allem aber suggeriert der Film, dass die tatsächlich erfolgende Manipulation auch wirklich klappt. Das aber ist die Crux der ganzen Branche, dass das nicht wirklich funktioniert. Veronika Ferres als Ehefrau ist eine so gute Ergänzung, dass man sich fragt, ob die Geschichte umgekehrt vielleicht besser funktioniert hätte. In dem grummelnden Olli Dittrich ist ein Rebell versteckt, der nie richtig rebellieren darf, während Ferres die eigentlich treibende Kraft seiner Normalität ist; fast schon eine Sirk’sche Figur, die ihren Mann ins Gefängnis der Normalität sperrt. Die beiden sind ein bisschen wie Angela Merkel und Peer Steinbrück. Insofern ist der Film ein unfreiwilliges Stück Science-Fiction, das dem Land im Herbst womöglich blüht. Steinbrück wäre dann vielleicht der bessere Olli Dittrich, der schon mal die Kavallerie ins Ausland schickt und Clowns als solche benennt, während Angela Merkel zeigt, wie man mit dem ganz normalen Wahnsinn strategisch umgeht: Aussitzen.
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