Crulic - Weg ins Jenseits

Animation | Rumänien/Polen 2011 | 76 Minuten

Regie: Anca Damian

Ein 33-jähriger Rumäne wird 2007 in Krakau des Diebstahls bezichtigt und ins Gefängnis geworfen, wo er in einen Hungerstreit tritt. Vier Monate später ist der Mann, der um seine Unschuld weiß, tot. Ein von realen Begebenheiten inspirierter, weitgehend animierter Film, der als nüchterne Chronologie mit kafkaeskem Schauer das Schicksal eines Menschen schildert, der unter die Räder der Bürokratie geriet. Der Tote meldet sich dabei mit sarkastischer Ironie und viel schwarzem Humor aus dem Jenseits zu Wort. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CRULIC - DRUMUL SPRE DINCOLO
Produktionsland
Rumänien/Polen
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Aparte Film/Fundacja im. Ferdynanda Magellana/Romanian Ministry of Culture/Romanian Heritage/ Editura Video/Krakow Festival Office
Regie
Anca Damian
Buch
Anca Damian
Musik
Piotr Dziubek
Schnitt
Catalin Cristutiu
Länge
76 Minuten
Kinostart
16.01.2014
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Animation
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Diskussion
Der Fall erinnert von fern an das Schicksal von Gustl Mollath, allerdings mit fataleren Konsequenzen. 2007 wurde der Rumäne Claudiu Crulic von der polnischen Polizei wegen eines angeblichen Taschendiebstahls verhaftet, obwohl er am Tag der Tat nachweislich in Italien war. Ein Jahr später starb Crulic im polnischen Gewahrsam. Anca Damian setzt ihrem Landsmann mit einer nachdenklichen Dokumentation ein ungewöhnliches Denkmal, das weit über den Einzelfall hinausweist. Die 1962 geborene Regisseurin protokolliert ein persönliches Schicksal, in dessen Verlauf der Protagonist unter die Räder geriet. Auf der einen Seite steht ein bürokratisches Mahlwerk, das sich immer mehr in innere Widersprüche verheddert und zum Selbstschutz eine Mauer des Schweigens errichtet. Auf der anderen Seite Crulic, der seine Geschichte posthum erzählt, mit einer Prise Sarkasmus und Selbstironie. Da ist viel schwarzer Humor im Spiel, nicht als Mittel im Überlebenskampf, denn der Ich-Erzähler ist ja schon tot, sondern aus Verbitterung. Warum fälschten Ärzte Analysen? Warum antwortete kein Untersuchungsrichter auf Haftbeschwerden, und wenn, dann zu spät? Die Genese dieses langsamen, behördlich in Kauf genommenen Todes eines Menschen, der den Hungerstreik als letztes Mittel des Aufbegehrens wählt, zeigt die Machtlosigkeit des „kleinen Mannes“. Crulic war kein „Politischer“, kein Dissident, dem ausländische Botschafter zu Hilfe kommen. Kein Sympathisant von PLO, IRA oder PKK, für den politische Splittergruppen auf die Straße gegangen wären. Crulic wurde schlicht vergessen. Zwischen den Aktendeckeln, in seiner Gefängniszelle, von Richtern und Staatsanwälten, die beruflich weiterkommen wollten. Anca Damian wählte für ihr sorgsam inszeniertes Protokoll die Form der Animation, ergänzt durch Fotocollagen. Damit holt sie die Geschichte aus dem Bereich des Plakativen und kommt der Persönlichkeit von Claudiu Crulic näher. Ihr Film ist ein elegischer Aufschrei in Pastelltönen, die mit sich selbst zu fremdeln scheinen, erzählt als nüchterne Chronologie mit kafkaesker Sogwirkung. Schon bald meint man, selbst dieser Crulic zu sein, und freut sich über jeden noch so kleinen Hoffnungsschimmer, der das neonblasse Innere der Zelle erreicht; und stirbt mit jedem Winkelzug der Advokaten einen kleinen und schließlich den großen, unnützen Tod. Crulic erlag 2008, 33-jährig, den Folgen seines Hungerstreiks. Der Film hält sich nicht ganz an die historischen Fakten; in den Credits wird erwähnt, von dem Fall „inspiriert“ worden zu sein. Was Fiktion ist, was Dokument, teilt die Regisseurin nicht mit, wofür sie kritisiert wurde. Doch „Crulic“ will gar kein Dokumentarfilm sein. Er erzählt eine Geschichte, deren analytische Kraft sich durch die Abstraktion der Animation entwickelt. So werden die (alb-)traumwandlerischen Tagebuchnotizen zu Gedanken aus dem Jenseits, die, Schicht für Schicht, die Selbstschutzmechanismen eines Systems aufdecken, das zum Mörder geworden ist.
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