Drama | USA 2013 | 154 Minuten

Regie: Denis Villeneuve

In einem namenlosen Ort in Pennsylvania verschwinden an Thanksgiving zwei sechs- bis siebenjährige Mädchen aus zwei benachbarten, miteinander befreundeten Familien, die eine schwarz, die andere weiß. Als die polizeilichen Ermittlungen im Sande verlaufen und ein der Tat verdächtigter, aber geistig unterbemittelter Mann wieder auf freien Fuß kommt, nimmt einer der Väter die Sache selbst in die Hand. Ein düsterer, raffiniert konstruierter Entführungs- und Selbstjustiz-Thriller, dessen atmosphärisch dichte, vorzüglich fotografierte Bilder sich ins Gedächtnis einbrennen. Zugleich beschreibt der Film das fesselnde Duell zwischen einem Vater und einem kinderlosen Polizisten, das mit klugen Spiegelungen und Verdopplungen an große ethische Fragen rührt. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik Im Kino sehen

Filmdaten

Originaltitel
PRISONERS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Alcon/8:38/Madhouse
Regie
Denis Villeneuve
Buch
Aaron Guzikowski
Kamera
Roger Deakins
Musik
Jóhann Jóhannsson
Schnitt
Joel Cox · Gary Roach
Darsteller
Hugh Jackman (Keller Dover) · Jake Gyllenhaal (Inspector Loki) · Maria Bello (Grace Dover) · Terrence Howard (Franklin Birch) · Melissa Leo (Holly Jones)
Länge
154 Minuten
Kinostart
10.10.2013
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Im Gegensatz zur DVD enthält die BD eine Reihe von kurzen, aber nicht uninteressanten Interviews mit Cast & Crew (43 Min.).

Verleih DVD
Tobis/Universal (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Tobis/Universal (16:9, 1.85:1, dts-HDMA engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Es ist der Albtraum aller Albträume, die Eltern widerfahren können – und von Denis Villeneuve so unumwunden düster inszeniert, dass man ab der ersten Sekunde mit dumpfem Gefühl im Bauch im Kino sitzt. In einem namenlosen Ort irgendwo in Pennsylvania verschwinden an Thanksgiving zwei kleine Mädchen. Es sind Nachbarskinder, die Eltern befreundet. Familie Birch ist dunkelhäutig, die Dovers weiß. Joy Birch hat eine ältere Schwester, Anna einen Bruder. Man sitzt zu Thanksgiving zusammen, feiert, die sechs-, siebenjährigen Mädchen wollen im Nachbarshaus etwas holen. Keiner weiß später, wie lange es dauerte, bis ihr Verschwinden bemerkt wird. Nachdem die ersten Suchaktionen zu Hause nichts erbrachten, beginnen die Männer im einsetzenden Regen draußen zu suchen, in Straßen und Gärten. Bis erste Verzweiflung aufkommt und die Polizei gerufen wird, weil sich Sohn Ralph an den schrottreifen Wohnwagen erinnert, der am Nachmittag in der Quartierstrasse stand. Es saß jemand in diesem Wagen, aus dem leise Gospelmusik drang. Die Polizei reagiert umgehend, wird fündig. Umstellt den Wagen auf einem Rastplatz, der Fahrer dreht durch, fährt sein Vehikel gegen einen Baum. Noch immer strömt der Regen. Der Kameramann Roger Deakins hat einmal mehr Sensationelles geleistet. Atmosphärisch dicht brennen sich die Bilder auf die Netzhaut, es regnet immer wieder, mal schneestöbert es, die graue Kühle des Spätherbstes prägt das Geschehen, das so unheimlich wie brutal ist. Ein Entführungsthriller in der Tradition anderer Kinderschänder- und Entführungsfilme wie „Gone Baby Gone“ (fd 38 463) oder „Das Versprechen“ (fd 35 093). „Prisoners“ erinnert unmittelbar an Debra Graniks „Winter’s Bone“ (fd 40 384), in dem eine 17-Jährige wie eine Berserkerin um den Zusammenhalt ihrer Familie kämpft. Doch hier ist es der Vater, Keller Dover (Hugh Jackman), der die Sache in seine Hände nimmt, obwohl mit Detektiv Loki (Jake Gyllenhaal) ein fähiger und absolut tüchtiger Cop die Ermittlungen leitet. Loki habe bisher keinen Fall gelöst, heißt es einmal. Doch Loki bringt Unglaubliches ans Licht, die Leiche im Keller des Pfarrers wie die blutigen Kisten voller Schlangen im Hause eines vermeintlich unbescholtenen Bürgers. Neun Triebtäter im Umkreis von 15 Meilen hat Loki auf seinem Radar. Aber Alex Jones, den Fahrer des Wohnmobils, muss er nach 48 Stunden wieder laufen lassen. Der geistig etwas zurückgebliebene junge Mann wohnt bei seiner Tante. Die Polizei kann ihm nichts nachweisen, doch Keller ist überzeugt, dass Alex den Aufenthaltsort seiner Tochter Anna kennt. So lauert er ihm auf, ein geträllertes Spottlied gilt ihm als Beweis. Keller nimmt Alex gefangen, verschleppt und foltert ihn, über Tage. Es gibt viele leerstehende Häuser, an diesem namenlosen Ort in Pennsylvania, der eigentlicher ein Un-Ort ist, angesichts der vielen Verbrechen, die dort geschehen. Wie weit darf Selbstjustiz gehen? Wie übermächtig darf Elternliebe sein? Und gebiert Verzweiflung in jedem Fall Monster? Es sind große ethische und moralische Fragen, an die Villeneuves erste Hollywood-Produktion rührt. Auf der Grundlage des Drehbuchs von Aaron Guzikowksi breitet der Film sie weit aus. Denn dadurch, dass zwei Mädchen zugleich verschwinden, erfährt der Film eine Verdoppelung wie auch eine Spiegelung. Die Wiederholung findet sich aber auch auf der Täterseite, sowie in der Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit. Auch wenn alle Figuren außer Loki und Keller etwas klischeehaft bleiben, so deutet der Film anhand der Figuren des zweiten Vaters und der Mütter doch zumindest an, wie man auf eine Kindsentführung auch anders reagieren kann. „Hoffe aufs Beste, sei vorbereitet aufs Schlimmste“, sagt Keller am Anfang des Filmes auf dem Heimweg von einem Jagdausflug zu seinem halbwüchsigen Sohn. Dasselbe sagt Loki am Schluss zu einem Arbeitskollegen. Auch auf Erzählebene arbeitet Villeneuve mit repetierender Rundung. „Prisoners“ ist ein Entführungsthriller, ein Krimi und Rachefilm. Es ist aber auch ein fesselndes Duell zwischen einem Vater und einem kinderlosen Polizisten – und einer der interessantesten Hollywoodfilme des Jahres 2013.
Kommentar verfassen

Kommentieren