Am Ende der Milchstraße

Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 97 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Leopold Grün

Wischershausen ist ein idyllisch gelegenes 50-Seelen-Dorf in Mecklenburg, dessen Bewohner mit Galgenhumor und tätiger Nachbarschaftshilfe gegen die um sich greifende Verödung der Region ankämpfen. Der Dokumentarfilm, eine unkommentierte Langzeitbeobachtung, zeigt die Dörfler bei ihren alltäglichen Verrichtungen und lässt sie biografische Anekdoten erzählen. Eine eigenständige Erkundung eines ländlichen Fleckens, die vor allem durch ihre ambitionierte Kameraführung überzeugt und den klug ausgewählten Protagonisten stets ihre Würde belässt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Rohfilm
Regie
Leopold Grün · Dirk Uhlig
Buch
Leopold Grün · Dirk Uhlig
Kamera
Börres Weiffenbach
Musik
Olivier Fröhlich · Jan Weber
Schnitt
Dirk Uhlig · Leopold Grün
Länge
97 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
24.10.2013
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
In zwei oder drei Milliarden Jahren, so prognostizieren es einige Astronomen, werde die Milchstraße mit der Nachbargalaxie Andromeda verschmelzen. Ob die Erde das überlebt, ist ziemlich ungewiss. Bis das Dorf Wischershausen in Mecklenburg nicht mehr existiert, dürften hingegen kaum mehr als ein paar Jahrzehnte vergehen. Dabei leben seine etwa 50 Einwohner in der reinsten Idylle. Unverbaute Landschaft, soweit das Auge reicht, ein paar Bauernhöfe, Äcker, Wiesen, eine schmucke Allee, in der Nähe ein Teich zum Baden und Angeln. Eigentlich ein Ort, um Urlaub zu machen. Doch nach Wischershausen werden sich Touristen wohl nie verirren. Denn der Ort hat keine Kneipe, keinen Lebensmittelladen und auch sonst nichts, was die Infrastruktur eines intakten Dorfes ausmacht. Zwei Jahre lang haben sich die Dokumentarfilmer Leopold Grün und Dirk Uhlig in Wischershausen aufgehalten und dabei ein knappes Dutzend der Bewohner mit der Kamera beobachtet. Ihr Alltag ist nicht eben spektakulär. Man sieht die Protagonisten beim Holzhacken, beim Füttern des Viehs oder beim Angeln. Häufig stehen sie auch beisammen, trinken ein Bier und halten ein Schwätzchen. Wobei sich zumindest die Männer nicht als übermäßig redselig erweisen. Nur hin und wieder sprechen einige direkt in die Kamera und erzählen aus ihrem Leben. Vielfach sind es Geschichten von früher. Aus einer Zeit, als sie noch Arbeit in der LPG hatten. Heute sind nur noch zwei in der örtlichen Milchviehanlage beschäftigt. Der Rest lebt von Hartz IV. Nicht nur materiell gesehen gehören die Dörfler zu den Wende-Verlierern. Wer jung ist, zieht weg, weil es Arbeitsplätze in der Umgebung schon lange nicht mehr gibt. Manche, die erfolglos ihr Glück in der Fremde gesucht haben, kommen frustriert zurück und wohnen wieder im Elternhaus. Doch die Bewohner stemmen sich mit Trotz und Galgenhumor gegen die Perspektivlosigkeit. Aus der Not ist man zum Tauschhandel in Gestalt von Nachbarschaftshilfe zurückgekehrt: Wenn du unseren Traktor reparierst, füttern wir dein Schwein durch. So läuft das in Wischershausen. Aber vermutlich nicht mehr lange. Dokumentationen über verödende Landstriche im Osten Deutschlands gibt es inzwischen ja viele, etwa Mario Schneiders „Mansfeld“-Trilogie. Doch den Filmemachern gelingt fernab jeder Ostalgie ein eigenständiges, unkommentiertes Porträt eines Dorfs und seiner Bewohner. Das hat mit den gut ausgewählten Protagonisten zu tun, die sich im Lauf des Films immer mehr als kauzige Charakterköpfe erweisen. Zum anderen verleiht die wunderbare Kamera dem Ort und seinen Bewohnern trotz aller Tristesse so etwas wie Würde. In langen, oft mit statischer Kamera gedrehten Einstellungen wird der unspektakuläre Alltag während der wechselnden Jahreszeiten eingefangen. Stillleben von Winterstürmen oder im Wind flatternder Wäsche wechseln mit Sequenzen, in denen die Protagonisten wortlos ins Bild und auf der anderen Seite hinaus schlurfen. Ein Dokumentarfilm, der unbedingt auf die Kinoleinwand gehört.
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