Drama | Schweiz/Deutschland 2012 | 96 Minuten

Regie: Friederike Jehn

Erst vor wenigen Wochen ist ein Ehepaar mit seinen drei Kindern aus Berlin in die Schweiz gezogen. Aber hinter der heilen Fassade des großen Hauses mit acht Zimmern sind die Spuren des Verfalls nicht zu übersehen: Die Ehe ist zerrüttet. Selbst wenn sich die Eltern kurzfristig versöhnen, fallen sie schnell wieder in Zank und Sprachlosigkeit zurück; auch der 14-jährigen Tochter gelingt es nicht, die Familie zu retten. Sensibel und eindringlich erzählt der Film vom Scheitern eines Neubeginns, wobei das Haus zur Burg, zum Bunker wird. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DRAUSSEN IST SOMMER
Produktionsland
Schweiz/Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
C-Films/Zum goldenen Lamm Filmprod.
Regie
Friederike Jehn
Buch
Lara Schützsack · Friederike Jehn
Kamera
Sten Mende
Musik
Diego Baldenweg
Schnitt
Isabel Meier
Darsteller
Maria Dragus (Wanda) · Nicolette Krebitz (Anna) · Wolfram Koch (Joachim) · Audrey von Scheele (Miss Sophie) · Nalu Walder (Bubi)
Länge
96 Minuten
Kinostart
24.10.2013
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Draußen ist Sommer. Draußen scheint die Sonne. Draußen sind die Menschen fröhlich, etwa im Freibad zwischen den Sprungtürmen und blau gekachelten Becken. Nur im eigenen Haus sieht es ganz anders aus, und das liegt nicht am Wetter. Wanda (Maria Dragus) sitzt mit ihren Eltern an einem Tisch: „Joachim, würdest du Anna bitte fragen, wie es ihr geht!“ – „Wie geht es dir, Anna?“ – „Du musst jetzt wunderbar sagen!“ – „Wunderbar.“ – „Und jetzt müsst ihr euch küssen.“ Aber auch mit solchen Brachialmethoden gelingt es der 14-Jährigen nicht, das Eis zwischen ihren Eltern zu brechen. Erst vor wenigen Wochen ist die Familie aus Berlin in die Schweiz gezogen. Der Vater (Wolfram Koch), die Mutter (Nicolette Krebitz) und drei Kinder. Die Idylle scheint perfekt. Ein großes Haus mit acht Zimmern, ein riesiger verwilderter Garten. Aber hinter der heilen Fassade sind die Spuren des Verfalls nicht zu übersehen. Die Ehe ist zerrüttet; selbst wenn sich die Eltern kurzfristig versöhnen, fallen sie schnell wieder in Zank und Sprachlosigkeit zurück. Friederike Jehn erzählt in ihrem zweiten Spielfilm sensibel und eindringlich vom gescheiterten Neubeginn einer deutschen Familie in der Schweiz. Das geräumige Eigenheim mit dem verwunschen wirkenden Garten wird immer mehr zum Gefängnis. Es entwickelt sich ein Kammerspiel, das besonders durch die Beziehung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern beeindruckt. Dabei steht die Regisseurin in einer Linie mit anderen deutschen Filmemachern, die das Eigenheim, meist Neubauten aus den 1970er-Jahren, zum Schauplatz schwelender Familienkonflikte machen, etwa Hans-Christian Schmids „Was bleibt“, Constanze Knoches „Die Besucher“ oder ältere Filme wie „Bungalow“ von Ulrich Köhler oder „Falscher Bekenner“ von Christoph Hochhäusler. „Draußen ist Sommer“, und man möchte ergänzen: „drinnen die Familie.“ Das Haus wird zur Burg, zum Bunker. Der Film konstruiert brillant den Kontrast zwischen der heilen, heimeligen Umgebung und den Aggressionen, Verlustängsten und der sich ausbreitenden inneren Kälte. Glücklicherweise verzichtet die Regisseurin darauf, das Familienglück zu definieren, sie moralisiert nicht, sondern beschränkt sich auf die minuziöse Beobachtung des familiären Erosionsprozesses: Der Vater hat sich vom gemeinsamen Tisch und Bett längst zurückgezogen, flüchtet sich in die Arbeit und schläft im Keller. Die Mutter erlebt Haus und Ehe immer mehr als Käfig. Seit einem Seitensprung ihres Mannes hat sie alles Vertrauen verloren. Die jüngere Tochter wird zunehmend verhaltensauffällig, der kleine Sohn verweigert sich der Sprache und schweigt. Wanda, die ältere Tochter, hat Schwierigkeiten, sich in der Schule und in den unverständlichen Dialekt einzufinden. Im Nachbarhaus entdeckt sie eine scheinbar glückliche Familie. Sie beobachtet sie genau und legt ihnen die passenden Worte in den Mund, eine Projektion auf ein vermeintliches Familienglück, zu dem sie selbst, ihre Eltern und ihre Geschwister längst nicht mehr in der Lage sind. Sie sucht neue Freundschaften, hat ihre ersten sexuellen Erfahrungen und erlebt den rapiden Zerfall der Familie als Abschluss eines Lebensabschnittes. Danach wird nichts mehr so sein wie vorher.
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