Benim Dünyam - Meine Welt

- | Türkei 2013 | 100 Minuten

Regie: Ugur Yücel

Ein taubblind geborenes Mädchen findet dank eines engagierten Lehrers einen Zugang zur Gesellschaft. Die Beziehung der beiden kehrt sich um, als der Lehrer an Alzheimer erkrankt. Das türkische Remake des indischen Melodrams „Schwarz“ (2005) von Leela Bhansali kennt wenig Zurückhaltung beim Versuch, die Zuschauer emotional zu berühren. Trotz allen Pathos' überzeugt der Film durchaus mit prägnanten Charakteren und dem sympathischen Appell für Bildungsanstrengung und weibliche Selbstverwirklichung. (O.m.d.U.) - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BENIM DÜNYAM
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
TMC Film
Regie
Ugur Yücel
Buch
Ugras Günes · Can Yücel
Kamera
Tolga Kutlar
Musik
Tamer Çiray
Schnitt
Ulas Cihan Simsek
Darsteller
Beren Saat (Ela) · Ugur Yücel (Mahir) · Avça Bingöl (Handan) · Turgay Kantürk (Refik) · Hazar Ergüçlü (Ayla)
Länge
100 Minuten
Kinostart
31.10.2013
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Dick aufgesetzte Melodramen gehören zu den Spezialitäten des türkischen Kinos. Der Produzent Şükrü Avşar zählt dabei zu den besten Handwerkern dieses Genres. Seine aktuelle Produktion verbindet den Taschentucheffekt aber mit einem Plädoyer für Bildungsanstrengung und weibliche Unabhängigkeit. Der Tenor: „Nichts ist unmöglich“. Als Regisseur wurde Uğur Yücel verpflichtet, dessen jüngster Film „Cold (Soğuk)“ (2013) pointiert das diskommunikative Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Türkei beschreibt. Mit „Benim Dünyam – Meine Welt“ adaptiert er den indischen Spielfilm „Schwarz“ (2005) von Leela Bhansali über ein taubblind geborenes Mädchen aus reichem Hause, das von ihrem Lehrer lernt, wie sie in ihrer Welt aus Dunkelheit und Stille zurecht- und mit ihrer nicht behinderten Umwelt auf Augenhöhe kommt. Zunächst begegnet man Ela als einem wilden Tier, das nie gelernt hat, mit Messer und Gabel zu essen. Wie einer Ziege hat man ihr eine Glocke umgehängt, um zu wissen, wo sie sich gerade aufhält. Der von den überforderten Eltern zu Hilfe gerufene Lehrer Mahir (von Yücel selbst gespielt) nimmt sich des vernachlässigten Mädchens mit einer methodischen Mischung aus Strenge und Fürsorge an. Die langwierigen Lernanstrengungen führen zum Erfolg. Es gelingt dem taubblinden Mädchen sogar, sich an der Universität als Literaturstudentin einzuschreiben. Ein Plot wie im Märchen. Natürlich ist Elas Erfolgsgeschichte unglaubwürdig, aber dazu ist Kino ja auch da: um Träume zu erzählen. Dies ist der Traum einer jungen Frau, durch Bildung unabhängig zu werden, und der Traum eines Mannes, ihr dabei zu helfen. Zur emotionalen Untermalung wird viel arabeske Begleitmusik auf die Tonspur gezwängt, die sich stets zu phänomenalen Stakkati steigert, wenn Ela die Bedeutung eines neuen Wortes erfasst hat. Doch die Inszenierung überzeugt bei allem Pathos durch charakterstarke Personenzeichnung der Hauptfiguren und einen exakten Schnitt. Hinter dem Pompösen des Melodrams atmet „Benim Dünyam“ den Geist des Autorenfilms. Der Lehrer ist nicht nur ein Gutmensch, sondern auch jähzorniger Weltverbesserer, der seine ehrgeizigen Ziele gegenüber seinem Schützling zuweilen mit selbstgerechten Wutausbrüchen durchsetzt. Und Ela ist nicht das dankbare Mäuschen, sondern subjektive Persönlichkeit mit eigenem, mitunter sturem Kopf. Älter geworden, erwacht bei Ela auch das sexuelle Verlangen, und so wird die Vater-Tochter-Beziehung zwischen Mahir und Ela endgültig zum konflikt- und wunschbeladenen Tête-à-tête. Ein Tango zwischen zwei gegensätzlichen, unfertigen Personen: Während sich Elas Welt erhellt, tun sich in Mahirs Erinnerung Lücken auf, da er an Alzheimer leidet. Wie einst der kleinen Ela eine Glocke umgehängt wurde, so sieht man nun Mahir hinter den Stäben seines Gitterbettes: von der Krankheit seines Wissens beraubt, gefangen wie ein Tier. Es ist nun Elas Aufgabe, dem Lehrer einen Weg zurück ins Licht zu weisen. Man könnte dem Film vorwerfen, dass er mit Mitleid Kasse macht. Das tut er durchaus, und vielleicht auch ganz zu Recht, denn indem er sein Plädoyer für Selbstverwirklichung und Emanzipation auch auf die symbiotische und doch asymmetrische Beziehung zwischen Schülerin und Lehrer erweitert, geht der Film weit über eine platte Moral hinaus. Mit „Benim Dünyam“ dürfte das kommerzielle türkische Kino erneut Gesellschaftsgeschichte schreiben, durchaus vergleichbar mit „Weißer Engel (Beyaz Melek)“ (fd 38 482), der das Verhältnis der vom Jugendkult geprägten Gesellschaft zur Generation der Alten nachhaltig veränderte, oder „Mein Vater und mein Sohn (Babam ve Oğlum)“ (fd 37 528), der die Traumata des türkischen Militärputsches in den 1980er-Jahren als Familiensaga aufarbeitete
Kommentar verfassen

Kommentieren