Una Noche - Eine Nacht in Havanna

Drama | Kuba/USA 2012 | 90 Minuten

Regie: Lucy Mulloy

Zwei 17-jährige Kubaner aus unterschiedlichen Schichten würden gerne in Miami ihr Glück versuchen. Aus der vagen Idee wird unvermittelt Ernst, als einer von ihnen wegen Totschlags von der Polizei gesucht wird. Zusammen mit einer jungen Frau wagen sie auf einem eilig zusammengezimmerten Floß die Flucht. Ein in drei Teilen strukturiertes, teilweise aus dem Off kommentiertes Drama, das die oft erzählte Geschichte von der Perspektivlosigkeit junger Kubaner dramaturgisch geschickt und visuell bemerkenswert dicht erzählt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
UNA NOCHE
Produktionsland
Kuba/USA
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Una Noche Films
Regie
Lucy Mulloy
Buch
Lucy Mulloy
Kamera
Trevor Forrest · Shlomo Godder
Schnitt
Cindy Lee
Darsteller
Dariel Arrechaga (Raul) · Anailín de la Rúa de la Torre (Lila) · Javier Núñez Florián (Elio) · María Adelaida Méndez Bonet (Adelaida) · Greisy del Valle (Greisy)
Länge
90 Minuten
Kinostart
12.12.2013
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Der Alltag in der kubanischen Hauptstadt Havanna ist kompliziert; vieles Lebensnotwendige kann nur über Umwege organisiert werden, über Kontakte, Tauschgeschäfte oder Dollars. Elio und Raul waren schon als Kinder gut befreundet. Die 17-Jährigen arbeiten mit Touristen, dem einzigen Faktor auf der Zuckerinsel, um an die heißbegehrten Devisen heranzukommen. Beide stammen aus sehr unterschiedlichen Familien. Elios Vater trägt die Uniform des Regimes, Rauls Mutter arbeitet als Prostituierte und hat Aids. Elios Vater hat seiner Ehefrau nichts mehr zu sagen, Rauls Vater lebt angeblich in Miami und wartet auf seinen Sohn. In beiden Familien sind sich die Generationen fremd geworden; die Eltern fallen als Vorbilder für ihre Kinder mehr oder minder aus. Eher ein Leitbild geben die zahllosen Touristen ab, die vom Regime wie den Regimegegnern gleichermaßen geliebt werden. Wohlhabende Menschen aus allen Ländern, mit viel Geld, die überdies die Insel jederzeit wieder verlassen können. Diese andere Welt der Freiheit und des Wohlstandes liegt so nahe; von Havanna nach Florida sind es nur 90 Meilen, etwa 150 Kilometer. Mit einem selbst gebauten Floß könnte man es in einer Nacht schaffen; in Miami wartet ja Rauls Vater, von dem er aber nur den Vornamen weiß. Die vage Idee der illegalen Überfahrt wird plötzlich sehr handfest, als Raul einen Freier seiner Mutter angreift und ihn lebensgefährlich verletzt. Er versteckt sich vor der Polizei, doch seine Verhaftung scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Eilig zimmert Elio in einer verfallenen Strandhütte ein Floß zusammen. Aber Elios Schwester Lila kommt hinter die Fluchtpläne und will ihren Bruder nicht alleine ziehen lassen. Sehr schlecht vorbereitet stechen sie in See, der Motor funktioniert nicht, die Spannungen an Bord steigen. Der Film entfaltet seine dramatische Geschichte, die von den Protagonisten teilweise aus dem Off kommentiert wird, in drei Teilen. Der erste zeigt dicht und düster, wie das Leben für die Hauptfiguren immer beklemmender wird; der zweite schildert die Überfahrt, den Kampf gegen Durst, Kälte und hartnäckige Haifische; der Schluss hält eine traurige, absurde Überraschung parat. Fast alle Filme über Kuba berühren mit der Frage, ob man bleiben oder weggehen soll, das grundsätzliche Drama der sozialistischen Insel. Aus der kubanischen Innenperspektive stellt sich das eigentlich Undenkbare aber oft alltäglich dar; kubanische Filme können über das eigene Elend lachen, mal lauter, mal leiser, mal süßlicher, mal bitterer, mal mit pittoresker Folklore, mal mit politischem Sarkasmus. Das Filmdebüt der britischen Regisseurin Lucy Mulloy verzichtet jedoch auf jeden versöhnlichen Humor und zeigt den Alltag im karibischen Sozialismus als harten Rap jenseits verniedlichender Salsa- und Bolero-Klischees, allerdings um den Preis, das manches kantig und mitunter fast spröde wirkt. Trotzdem ist der Film besonders im ersten Teil von einem beeindruckenden Rhythmus, und auch der bittere Schluss, die Vergeblichkeit am Ende einer sinnlosen Reise, überzeugt. Die Wirklichkeit hat die Fiktion allerdings längst überholt. 2012 verschwanden die beiden Darsteller Javier Núñez Florián und Anailín de la Rúa de la Torre bei der Zwischenlandung in Miami auf dem Flug zum Tribeca Festival in New York. Der Darsteller des Raul, Dariel Arrechaga, kam bis New York und nahm dort den Preis für die beiden besten männlichen Hauptdarsteller entgegen. Auf dem Festival in Havanna gewann „Una Noche“ den Publikumspreis.
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