Carne de Perro - Hundefleisch

Drama | Chile/Frankreich/Deutschland 2012 | 81 Minuten

Regie: Fernando Guzzoni

Einem Mann Mitte 50 ist nach Ende der argentinischen Militärdiktatur nur noch sein Hund geblieben. Er bekommt sein Leben nicht mehr in den Griff und streift rat- und ziellos durch seine Tage, ohne Anschluss an die neue Zeit zu finden oder sich von der Vergangenheit zu distanzieren. Das langsam, zurückhaltend und fast spröde erzählte Porträt eines ehemaligen Folterers, der in seinem Alltag keinen Sinn mehr findet, verdichtet sich zum beklemmenden Drama eines Zwangscharakters, das auch als eine universelle Metapher auf autoritär-totalitäre Deformationen zu lesen ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CARNE DE PERRO
Produktionsland
Chile/Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Ceneca Prod./JBA Prod./Hanfgarn & Ufer Filmprod.
Regie
Fernando Guzzoni
Buch
Fernando Guzzoni
Kamera
Bárbara Álvarez
Schnitt
Javier Estévez
Darsteller
Alejandro Goic (Alejandro) · María Gracia Omegna (Gabriela) · Alfredo Castro · Sergio Hernández · Daniel Alcaíno
Länge
81 Minuten
Kinostart
03.04.2014
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Ein 55-jähriger Mann lebt einsam in seiner Wohnung in Santiago de Chile. Er leidet unter Panik-Attacken und psychosomatischen Schmerzen. Seine Arbeit und seine Familie hat er verloren. Nur sein Hund hält ihm die Treue, selbst wenn er von seinem Herrchen grausam gequält wird. „Carne de perro“ ist kein leicht verdaulicher Film. Das Debüt des chilenischen Regisseurs Fernando Guzzoni beginnt spröde, kryptisch, fast feindselig, zieht den Zuschauer dann aber unaufhaltsam in Bann. Zwar begleitet die brillante Kamera den Protagonisten minutiös und detailgenau bei seinen alltäglichen Verrichtungen und auf den ziellosen Wegen, doch bis zur Mitte des Films weiß man eigentlich kaum etwas über ihn. Alejandros innere Koordinaten sind mit dem Ende der Pinochet-Diktatur hinfällig geworden. Auch bei seinen alten Kameraden findet er keine Heimat mehr. Er will nicht gegen die neue Demokratie kämpfen, denn im Grunde seines Wesens kann er nicht anders, als sich in bestehende Machtsysteme einzuordnen. Alejandro ist der typische Untertan, ein Handlanger der Macht, der verbeamtete Kriminelle, der sich mit der Ideologie der Diktatur höchstens oberflächlich auseinandersetzt. Gewalttätig nach innen und gewalttätig nach außen, scheint er unfähig, den Wandel der Zeiten zu begreifen, geschweige denn mit ihr zu leben. Doch das Porträt eines ehemaligen Folterers entgleitet nicht zur psychopolitischen Karikatur. Alejandro hat trotz aller abschreckenden Züge durchaus etwas Sympathisches bei seiner Suche nach einer neuen Identität, zwischen den quälenden Schatten seiner Vergangenheit und den Heilsversprechungen der Gegenwart. Getragen wird der Film vom stoischen Spiel des Hauptdarstellers Alejandro Goic, den die Kamera hautnah begleitet, wenn er vergeblich versucht, mit seiner Ex-Frau wieder ins Gespräch zu kommen, oder mit den Helfershelfern aus Zeiten der Diktatur, die in der neuen Zeit längst ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben. Über eine eindringliche Charakterstudie hinaus ist „Carne de perro“ auch eine Auseinandersetzung mit dem Wandel der chilenischen Gesellschaft, dem mühsamen Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Guzzoni reiht sich damit in die Versuche anderer junger chilenischer Regisseure wie Pablo Larraín („No“, fd 41 565) oder Andrés Wood („Machuca“, fd 36 993) ein, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen. Man kann „Carne de perro“ aber auch als universelle Geschichte vom schwierigen Übergang aus autoritär-totalitären in demokratischere Verhältnisse lesen. Der vereinsamte Zwangscharakter, der nach dem politischen Wandel und dem Bruch mit Frau und Tochter nur noch seinen Hund quälen kann, ist ein universeller Antiheld. All das erzählt der Film unspektakulär, leise und fast kalt, aber ganz nah am Protagonisten. Wenn Alejandro am Ende in einer evangelikalen Sekte aufgeht, kehrt er letztendlich wieder ins Militär zurück. Wirklich wichtig sind für ihn nur Ordnung und Hierarchie, er selbst ist missbrauch- und wieder einsetzbar für jede Form von autoritärer Weltanschauung.
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