Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 90 Minuten

Regie: Christoph Hübner

Der Jazz-Pianist Joachim Kühn (geb. 1944) reiste 2008 mit den Musikern seines Trios nach Marokko, um während eines Monats unter den Eindrücken des afrikanischen Lebens in der Stadt Rabat sowie in der Sahara-Wüste ein neues Projekt zu entwickeln. Der aufmerksam beobachtende Dokumentarfim begleitet die Reise der Musiker aus unterschiedlichen Kulturkreisen in Form eines virtuosen Geflechts aus Bildern und Klängen und verdeutlicht dabei eindrucksvoll den Gedanken eines interkulturellen Miteinanders. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Christoph Hübner Filmprod.
Regie
Christoph Hübner
Buch
Gabriele Voss
Kamera
Christoph Hübner
Musik
Joachim Kühn · Majid Bekkas · Ramon Lopez
Schnitt
Gabriele Voss
Länge
90 Minuten
Kinostart
13.03.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm | Musikfilm
Externe Links
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Diskussion
Joachim Kühn ist einer der ganz wenigen deutschen Jazz-Musiker, die man mit Fug und Recht als Welt-Star dieser Musikgattung bezeichnen kann. Seit den frühen 1960er-Jahren, als er Mitglied des einflussreichsten Trios des DDR-Jazz war, hat der Pianist (der gelegentlich zum Altsaxofon greift) zahlreiche Entwicklungen der improvisierten Musik begleitet und mitgeprägt, den Free-Jazz ebenso wie den Jazz-Rock der 1970er-Jahre oder, in jüngerer Zeit, die Öffnung des Jazz zur Weltmusik mit diversen ethnischen Spielarten und Verschmelzungen. Dabei war und ist Kühn in Paris, Los Angeles, New York und Hamburg ebenso zuhause wie er den unterschiedlichsten Musikern in ihren jeweils angestammten Ländern und Kulturen begegnet. In einem solchen Zusammenhang entstand 2008 Kühns Idee, seinen 64. Geburtstag in Marokko zu verbringen, um dort einen Monat lang mit seinen Trio-Kollegen, dem spanischen Schlagzeuger Ramon Lopez sowie dem marokkanischen Sänger, Guembri- und Oud-Spieler Majid Bekkas, ein neues Projekt zu entwickeln und einzuspielen. Daraus wurde dann eine Einladung an die Dokumentaristen Christoph Hübner und Gabriele Voss, die Reise filmisch zu begleiten – was für die beiden angesichts ihrer Langzeitdokumenten und der jeweils mehrjährigen Beschäftigung mit den Lebenswelten ihrer Protagonisten (u.a. „Prosper/Ebel“, „Emscher Skizzen“) quasi ein Kurzurlaub gewesen sein muss. Menschen, Orte, Landschaften – dies fanden sie auf der „Reise ins Offene“ (Hübner) auch in Nordafrika reichlich. Sie schauten auf das Licht des Himmels und in den Straßen, auf die Farben der Hausfassaden, der Kleidung, der Erde und des Wüstensands ebenso wie sie auf kleinste Gesten und Szenen reagierten, Indirektes und Zufälliges, scheinbar Nebensächliches wahrnahmen. Selbstredend steht stets die Musik im Zentrum, diese aber atmet immer auch das Umfeld, in dem sie entsteht, die Räume wie die offenen Landschaften, die Freundlichkeit, Genügsamkeit und Offenheit der Menschen. Wenn sich Kühn und seine Kollegen zunächst in einem kleinen Tonstudio in Rabat einquartieren, sich mit den technischen Widrigkeiten vor Ort ebenso arrangieren wie sie im Zusammenspiel mit Gastmusikern alle künstlerischen Probleme schrittweise meistern, dann führt das zu einer geradezu euphorischen Stimmung, die sich auf den Betrachter überträgt. „Endlich bekommen wir die Antwort, warum wir hier sind“, jubelt Majid Bekkas dann und schwärmt von der wunderbaren Verbindung vierer Kulturen: der spanischen und der deutschen mit jener von Voodoo und Gnawa. Jetzt erst verlassen die Musiker das Studio und reisen in die Sahara, bereit für weitere Eindrücke und Begegnungen, etwa mit einer Trommlergruppe, wahren Meistern der perkussiven marokkanischen Musik. „Transmitting“ kommt, gemessen am Marokko-Aufenthalt, deutlich verspätet ins Kino, zugleich aber genau richtig, um Joachim Kühns 70. Geburtstag am 15. März 2014 zu feiern – nicht mit einem „klassischen“ Porträtfilm, der Kühns Biografie abhakt und sie mit Dokumenten und Interviews zur Hommage verschnürt, sondern als ebenso intimer wie aufregender Erlebnisbericht voller geradezu beglückender Begegnungen. Herausragend ist dabei, wie der Film seine ruhigen, überwiegend vom Stativ aus fotografierten Bilder mit seiner reichen Klangebene verbindet. Dann ist die Musik der Jazzer nicht mehr allein: Man hört ebenso den Straßenverkehr, das Hupen von Autos, das Bellen von Hunden, Geräusche des Tages und der Nacht, der Stadt wie der „leeren“ Wüste. Der Filmtitel „Transmitting“ ist dabei stets Programm: Die Reiseeindrücke übertragen sich nachdrücklich auf den Betrachter, vielleicht gerade deshalb so intensiv, weil Hübner/Voss sich unaufgeregt in den Dienst der Musik, der Musiker und vor allem ihres zentralen Protagonisten Joachim Kühn stellen. Der sagt einmal: „Wichtig ist nicht, wo man herkommt, sondern wo man hingeht.“ Man meint dem Film anzumerken, wie gut dieser Satz Hübner/Voss gefallen haben muss.
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