Dokumentarfilm | Finnland/Deutschland 2012 | 89 Minuten

Regie: Kimmo Koskela

Dokumentarfilm über den finnischen Akkordeon-Künstler Kimmo Pohjonen, der sein Instrument als Klangerzeuger neu erfunden und technisch auf die Höhe der Zeit gebracht hat. Die Inszenierung lässt sich vom Credo des Musikers, keinen Regeln zu folgen, zu kraftvoll-originellen Bildern inspirieren, die neben impressionistischen Passagen und einigen biografischen Informationen Pohjonen vor allem bei der Arbeit zeigen. Die einfallsreiche, mal kauzige, mal philosophische Musikerbiografie übt sich in „finnischem Understatement“ und denkt dabei über die generellen Bedingungen originärer Kunst nach. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SOUNDBREAKER
Produktionsland
Finnland/Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Koskela Art & Media House/HSS Prod./Gernot Steinweg
Regie
Kimmo Koskela
Buch
Kimmo Koskela
Kamera
Kimmo Koskela
Musik
Kimmo Pohjonen
Schnitt
Kimmo Koskela · Jani Ahlstedt · Arne Eklund
Länge
89 Minuten
Kinostart
17.04.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
W-film/Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD5.1 fin.)
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Diskussion
„Lately it occurs to me what a long, strange trip it’s been“, singen „The Grateful Dead“ in ihrem Song „Truckin’“. Daran mag man denken, wenn gegen Ende von Kimmo Koskelas Musikerporträt „Soundbreaker“ die Kamera endlos sich windende finnische Landstraßen einfängt und den Akkordeon-Extremisten Kimmo Pohjonen in seine Zukunft entlässt. Der Film rekonstruiert eine leidlich originelle, aber durchaus repräsentative Musikerbiografie, die davon erzählt, wie es sich anfühlt, seine musikalischen Talente zum Ausdruck einer möglichst individuellen Persönlichkeit zu bündeln. Hilfreich ist dabei immer auch ein glücklicher Zufall, damit der „long, strange trip“ ein gutes Ende findet. Einmal gibt es alte Fernsehbilder von Pohjonen zu sehen, der als Akkordeon-Wunderkind pflegeleicht zu Protokoll gibt, alle Arten von Musik zu mögen: Polka, Volksmusik, Klassik. Aus heutiger Sicht würde Pohjonen wohl sagen, dass er diese liberale Bravheit nur an den Tag gelegt habe, um seinen Eltern zu gefallen. Denn, so sein schönes Bonmot, schließlich sei das Akkordeon ja ein „Instrument für Idioten, die es spielen, um den Eltern zu gefallen“. Nur gefallen zu wollen, ist aber nicht der Königsweg zur Kreativität. Da ist es schon besser, man vertraut auf sein Gefühl – und erkundet als Klangforscher die Möglichkeiten des „Idioten“-Instruments. Gehasst habe er das Instrument, allerdings auch kein anderes so gut gekannt, um es nachhaltig für sein „eigenes Ding“ zu verändern. Pohjonen ist überzeugt davon: Es geht als Künstler allein darum, diesen eigenen Weg zu finden und sich dabei nicht von Regeln beeindrucken oder einschränken zu lassen. Er selbst hat das Akkordeon als Klangerzeuger neu erfunden, hat es mit Mikrophonen und Samplern gewissermaßen technisch auf die Höhe der Zeit gebracht – wofür er sich jetzt aber als „der Hendrix des Akkordeons“ schubladisieren lassen muss. Der Filmmacher Kimmo Koskela hat sich von Pohjonen inspirieren lassen und findet kraftvolle und originelle Bilder, wenn er den Musiker, der sich gern als körperbetonter Männerdarsteller in archaischem Wams gibt, in ein Eisloch springen und per Trick ein eindrucksvolles Unterwasser-Konzert geben lässt. Neben impressionistischen Passagen und ein paar biografischen Informationen zeigt der Film Pohjonen vor allem bei der Arbeit. Die sieht allerdings nicht immer nach Arbeit aus, sondern manchmal auch nach Spleen, wenn etwa die Geräusche von Traktoren, Dreschmaschinen oder Kartoffelsortierern „mikrofoniert“ werden. Erst viel später hört man diese Sounds wieder, als Teil einer kunstvollen Klang-Collage, die bäuerlichen Alltag in Kunst transformiert – und zwar in Gegenwart der Bauern. Pohjonen macht aber nicht nur Industrie-Folk, sondern auch Prog-Rock an der Seite der „King Crimson“-Koryphäen Trey Gunn und Pat Mastelotto oder Klassik-Cross­over mit dem Kronos Quartet. So eilt der Finne von Projekt zu Projekt, erzählt von der Freiheit, nicht allen gefallen zu wollen, und von den Hindernissen auf dem Weg zur Kreativität. Der Tonfall ist mal kauzig, mal philosophisch – und immer wieder geprägt von jenem minimalistischen Understatement, das man den Finnen seit der Begegnung mit den Kaurismäkis nachrühmt. Am Schluss steht die Idee, eine alte Tradition als Performance wieder aufleben zu lassen: die musikalische Begleitung von Wrestling-Kämpfen, die einst dazu diente, die unvermeidlichen Furz-Geräusche zu übertönen. Manchmal glaubt man Pohjonen auch dann kichern zu hören, wenn er gerade ernst in die Kamera schaut. Die Inszenierung gönnt ihm genau diese Freiheit, die es braucht, um seine filmische Meditation über die Bedingung und Möglichkeit von Kunstproduktion abzurunden.
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