Animation | Südkorea 2011 | 93 Minuten

Regie: Yeon Sang-ho

Zwei Schulfreunde, die einander 15 Jahre nicht mehr begegnet sind, erinnern sich an ihre gemeinsame Zeit, die aus den Opfern von grausamen Hänseleien und Qualen selbst Täter gemacht hat. Mit großer Ernsthaftigkeit beschreibt der südkoreanische Animationsfilm Zyklen von Gewalt und Gegengewalt, wobei die Erzählweise immer wieder wirkungsvoll durch cartoonhafte Stilisierung gebrochen wird. So entsteht eine in Alltagserfahrungen wurzelnde Geschichte, die zugleich allegorisch von den Hierarchien einer Klassengesellschaft erzählt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DWAE-JI-UI WANG | DWAEJIUI WANG
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
The King of Pigs Prod. Com./Studio Dadashow
Regie
Yeon Sang-ho
Buch
Yeon Sang-ho
Musik
Eom Been
Schnitt
Lee Yeun-jeong · Yeon Sang-ho
Länge
93 Minuten
Kinostart
17.07.2014
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Animation

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein 12-seitiges Booklet zum Film.

Verleih DVD
Tonkatsu Pictures/Al!ve (16:9, 1.78:1, DD2.0 korea.)
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Diskussion
Der entsetzliche Anfang sieht so aus im ersten Langfilm des südkoreanischen Regisseurs Yeun Sang-ho: Ein Schluchzen, ein Wimmern, solange die Leinwand noch schwarz ist, bald der Blick in leere tote Augen. Die Kamera fährt Gesicht, Hals, Schultern, Körper der toten Frau hinab. Dieses ästhetische Verfahren assoziiert man spontan mit dem Realfilm; das verfrühte Hören und das Durchqueren des Raumes beschreiben eine filmische Realität und eine Handlungsumgebung, die unabhängig von der Kamera existiert und von dieser erkundet wird. Yeun Sang-ho hat bisher aber nur Animationsfilme gedreht; sein Debüt „The King of Pigs“, der schon 2011 entstand, kommt nun mit einer überschaubaren Kopienzahl in die deutschen Kinos. Was, womöglich, mit einem Mord beginnt, ist die Geschichte einer durch und durch gewalttätigen Sozialisation, die in der Schule begann und ihre Opfer, die freilich mehr sind als nur das, auch Jahrzehnte danach noch prägt. Vor 15 Jahren waren Kyung-min, in dessen Wohnzimmer nun eine Tote liegt, und Jong-suk die untersten in der Hackordnung ihrer Klasse, gequält und gehänselt von einer Gang, in der sich die Hierarchie der Klassengesellschaft spiegelte. Heute ruft der eine den anderen an, sie besuchen ein Restaurant und sprechen über ihre Vergangenheit, in der bald noch ein dritter auftauchte: Chul setzte sich mit ihnen, für sie, zur Wehr; sie bildeten ein Trio, in dem sich bald eine todbringende Dynamik entwickelte. Nichts als Schweine seien sie, das Vieh der reichen Schoßhündchen, hatte Chul ihnen erzählt, und zu Monstern müssten sie werden. Es wäre leicht – ein wenig zu leicht –, Yeun Sang-ho zu loben für seine Themenauswahl, für die Ernsthaftigkeit, ja Unerbittlichkeit, mit der er seine Fabel von einem düsteren Tiefpunkt zum nächsten treibt. Aber schon der Begriff der Fabel verweist auf den allegorischen Charakter der Erzählung: War Goldings „Herr der Fliegen“, wenigstens vordergründig, nicht auch ein verwesender Schweinekopf? Waren die Schweine nicht erst die Revolutionäre und später dann die neuen Unterdrücker in Orwells „Farm der Tiere“? So regelmäßig Yeun Sang-ho seine armen Schlucker auch mit je unterschiedlichen, eben nicht zwingend repräsentativen familiären und psychologischen Besonderheiten zeichnet, so bleiben sie doch stets genau dies: gezeichnet, ja überzeichnet, am auffälligsten in den Gesichtern, den ins Raubtierhafte zusammengezerrten Augenbrauen und den gefletschten Zähnen. Die Hintergründe sind oft statisch, die Bewegungen zackig statt fließend. Man darf bezweifeln, ob dies nur eine Budgetfrage war für Yeun Sang-ho, der nie Film, wohl aber Malerei studiert hat: Die Übertreibungen und Zuspitzungen, die er sich erlaubt, verschmelzen in seinem filmischen Kosmos mit ihrer Entstehungsweise, die immer schon darauf verweist, eben nicht Realität abzubilden. Womöglich lässt sich so auch etwas über den narrativen Film an sich erfahren. Dessen Anziehungskraft basiert schließlich immer schon darauf, die richtige Entfernung von der Wirklichkeit zu finden: nahe genug, dass die Gewalt, die dort geschieht, noch als der Skandal empfindbar ist, den sie ja auch darstellt – und gleichzeitig weit genug davon entfernt, um die Empirie in ein bis zwei Stunden Dramaturgie komprimieren zu können. Yeun Sang-ho lässt jeden Moment glauben, dass er vom Alltag in seiner Heimat erzählt – mit untoten Katzen, überbordendem Hass und Schmerz, mit Blut und ­Beulen.
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