Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 104 Minuten

Regie: Ulrike Franke

Grandioser Dokumentarfilm über den Strukturwandel im Dortmunder Stadtteil Hörde, der binnen eines Jahrzehnts von einer Stahlkocherei in einen vornehmen Villenort mit künstlichem See umgestaltet wurde. Aus einer enormen Vielzahl an chronologisch strukturierten Momentaufnahmen entsteht ein plastisches Wirklichkeitsbild mit enormer Tiefenschärfe. – Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Filmprod. Loeken Franke
Regie
Ulrike Franke · Michael Loeken
Buch
Ulrike Franke · Michael Loeken
Kamera
Jörg Adams · Michael Loeken · Dieter Stürmer · Rüdiger Spott · Reinhard Köcher
Musik
Tim Stanzel · Moritz Denis · Eike Hosenfeld
Schnitt
Bert Schmidt
Länge
104 Minuten
Kinostart
21.08.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
– Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
In Dortmund-Hörde wurde bis April 2001 Stahl „gekocht“. Rund um die Uhr, 158 Jahre lang. Dann war Schluss. Das Stahlwerk Phoenix-Ost wurde abgewickelt, die Anlagen nach China verkauft. Zurück blieben „Altlasten“: ein mit Schwermetallen verseuchtes Riesenareal, ein Heer arbeitslose Malocher, ein grauer, maroder Stadtteil ohne jede Perspektive. Heute, 13 Jahre später, erinnert nur noch eine museale Thomas-Birne an die industrielle Vergangenheit. Wo ehedem Hochöfen und Kokereien ihren Dreck in den Himmel pusteten, glänzt nun ein von schicken Villen gesäumter See, auf dem Segelboote schaukeln und Ausflügler am Wochenende die Seele baumeln lassen. Babylon an der Emscher, fast wie aus dem Werbeprospekt. Wie dieser enorme Strukturwandel vonstattenging, zeichnen Ulrike Franke und Michael Loeken in einer grandiosen Langzeitdokumentation nach. Von Beginn der Planungen an waren sie mit ihren Kameras nahezu allgegenwärtig: in den Sitzungen der Politiker, Architekten und Vermarkter, den unterschiedlichen Planungs- und Bauabschnitten, aber auch bei den Menschen des Viertels, die dem Wandel mit Skepsis und Sorge begegnen. Der chronologisch strukturierte Film versammelt eine enorme Zahl pointierter Momentaufnahmen, die sich scheinbar wie von selbst zu einem phänomenalen Hologramm des Wandels verdichten, in dem jede Perspektive ihren Platz hat. Mit dem Straßenpolizisten Wegner schaut man bei Menschen „ganz unten“ vorbei, nimmt am zähen Kampf der griechischstämmigen Kaffeebuden-Besitzerin Anna teil, lauscht den rosa „Der Markt wird’s regeln“-Wolken der Manager, sieht den Yachthafen im Zeitraffer aus dem Boden schießen oder staunt über einen Bauherrn, der seinem kühlen Bauhaus-Kubus eine Landhausküche verpasst. Alte Stahlarbeiter trauern der Vergangenheit hinterher, in den Gremien der Stadt prallen Weltanschauungen aufeinander, ein Selfmade-Mann kehrt die Scherben seiner Ehe zusammen. Keine Szene ist überflüssig, jede pointiert kadriert und auf den Punkt „inszeniert“. Durch ihre souveräne Verknüpfung entsteht ein phänomenales Wirklichkeitsbild mit enormer Tiefenschärfe, das umso differenzierter ausfällt, als die Widersprüche nicht minimiert, sondern in ihrer ganzen Härte nebeneinander gestellt werden.
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