Dokumentarfilm | Deutschland/Israel/Großbritannien/USA 2014 | 105 Minuten

Regie: Nadav Schirman

Dokumentarfilm über Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Mitbegründers Scheich Hassan Yousef, der Ende der 1990er-Jahre vom israelischen Geheimdienst angeworben wurde und jahrelang die Hamas-Elite im Westjordanland ausspionierte. Aus langen Interviews mit Yousef sowie seinem israelischen Führungsoffizier Gonen Ben Yitzhak rekonstruiert der erhellende Film im Zusammenwirken mit historischem Nachrichtenmaterial und nachgestellten Bildern eine schillernde Facette des Nahost-Konflikts. Politisch-moralische Fragen werden dabei freilich nur ansatzweise gestreift. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GREEN PRINCE
Produktionsland
Deutschland/Israel/Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
A List Films/Uzrad Prod./Passion Pic./Red Box Films/Telepool
Regie
Nadav Schirman
Buch
Nadav Schirman
Kamera
Giora Bejach · Raz Degan · Hans Fromm · Hans Funck
Musik
Max Richter
Schnitt
Joelle Alexis · Sanjeev Hathiramani
Länge
105 Minuten
Kinostart
27.11.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Der verstoßene Hamas-Sohn ist heute ein klarer, beherrscht wirkender Mann mit glattrasiertem Gesicht und arabisch akzentuiertem Englisch. Vor langer Zeit war Mosab Hassan Yousef ein Bündnis mit dem Todfeind Israel eingegangen und hatte Informationen über die Hamas-Elite im Westjordanland geliefert. Auch über seinen Vater, Scheich Hassan Yousef, einen der Hamas-Führer. 1996 waren beide, Vater und Sohn, von den Israelis verhaftet worden. Im Gefängnis wurde der 18-jährige Mosab dann vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet angeworben, von Gonen Ben Yitzhak. Mosabs Geschichte über Spionage und symbolischen Vatermord könnte von einem modernen Shakespeare erdacht worden sein; die Spielfilmrechte an seinem Buch „Son of Hamas“ sind längst vergeben. Doch zunächst hat sich der israelische Regisseur Nadav Schirman seiner angenommen. „The Green Prince“ verknüpft zwei auf vertrackte Weise miteinander verwobene Welten, die Schirman schon in seinen Filmen „Der Champagner-Spion“ (2006) und „In the Darkroom“ (fd 41 943) faszinierten: Spionage und Terrorismus. Mosab und Gonen sind die einzigen, die zu Wort kommen. Es sind formal unspektakuläre Einstellungen über zwei Menschen, die aus entgegengesetzten Universen stammen, obwohl sie bloß einige Kilometer entfernt voneinander aufgewachsen sind. Schirman bedient sich auch bei altem Nachrichtenmaterial, oft sind Fadenkreuze zu sehen. Nicht immer kann man zwischen archivierten und nachgestellten Bildern unterscheiden. Mosab schildert nüchtern, wie der fleischige, zunächst misstrauisch wirkende Gonen ihn „umgedreht“ hat. Der hatte ihn in ein von der Hamas kontrolliertes Gefängnis geschleust, wo sich Mosab ein eigenes Bild vom Terror und den Demütigungen der Organisation gegen ihre eigenen Landsleute machen konnte. Ob es dabei ein Schlüsselerlebnis gab, wird nicht so recht deutlich. Nach seiner Freilassung wurde Mosab die rechte Hand seines Vaters. Einige Male hätten die Israelis, so Mosab, große Teile der Hamas-Führer auf einen Schlag eliminieren können, aber darauf verzichtet, weil dies den Informanten gefährdet hätte. Der Bruch mit seinem Vater, der zunächst insgeheim erfolgte, nach seiner Enttarnung, über deren Details sich der Film bedeckt hält, auch nach außen hin unumkehrbar war, machte Mosab zu einem Vogelfreien. Al Qaida verhängte damals die Todesstrafe über ihn, Vater und Familie sagten sich von ihm los. Was ihm heute in der Westbank oder im Gaza-Streifen drohen würde, kann man sich ausmalen. Mosab ist für immer mit dem Stigma des Terroristen gebrandmarkt. Dies illustrieren auch seine Erfahrungen als Flüchtling in den Vereinigten Staaten. In San Diego fand Mosab in einer kleinen Bibelgemeinschaft Unterschlupf, in der er sich wohl fühlte. Doch als er seine Herkunft offenbarte, wich die bedingungslose Akzeptanz plötzlich einer verunsicherten Distanz. Die Einwanderungsbehörden machten ihm zusätzlich das Leben schwer: dass er sich losgesagt hatte und die Hamas bekämpfen half, änderte nichts an seiner Verstrickung. Als Gonen davon hörte, flog er in die USA und sagte ohne Absprache mit seinem Dienstherrn für Mosab aus. Neben aller Politik erzählt „The Green Prince“ so auch die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft.
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