Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 82 Minuten

Regie: Rosa von Praunheim

Autobiografische Spurensuche des homosexuellen Filmemachers Rosa von Praunheim entlang seiner Jugend- und frühen Erwachsenenjahre in Frankfurt am Main. Der sympathische Dokumentarfilm mäandert durch zwei Jahrzehnte, wobei die dramaturgisch lockere Struktur der persönlichen Chronologie des Regisseurs folgt und an prägende Orte und Menschen geknüpft ist, wobei auch zeithistorische Umstände nicht gänzlich außen vor bleiben. Ein Spaziergang durch die eigene Biografie ohne Anspruch auf analytische Komplexität, gleichwohl vielschichtig, geprägt von einer gewissen Altersweisheit. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Rosa von Praunheim Filmprod./Strandfilm/HR
Regie
Rosa von Praunheim
Buch
Rosa von Praunheim
Kamera
Matthias Lawetzky · Nina Werth · Dennis Pauls
Musik
Babies of Control · Andreas Wolter
Schnitt
Rosa von Praunheim
Länge
82 Minuten
Kinostart
08.01.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Wie schon in „Meine Mütter“ (fd 38 622) begibt sich Rosa von Praunheim auch mit „Praunheim Memories“ auf autobiografische Spurensuche. Diesmal taucht er in seine Jugend- und frühen Erwachsenjahre ein, die er im Frankfurter Stadtteil Praunheim verbrachte, einer (klein-)bürgerlichen Gegend mit Siedlungshäuschen und dazu gehörenden Gärten. Als sich der junge Holger Mischwitzky ein Pseudonym suchte, griff er auf den Namen dieses Stadtteils zurück; der Vorname Rosa verwies auf jene rosa Winkel, die homosexuelle Gefangene in den Konzentrationslagern der Nazis tragen mussten. In „Praunheim Memories“ trifft der Regisseur auf Weggefährten oder deren Hinterbliebene. Der Tod hat inzwischen manche Lücke gerissen; wenn Praunheim an besonders enge Freunde und Freundinnen erinnert, schämt er sich seiner Tränen nicht. Der weiche, grundsympathische Film mäandert durch zwei Jahrzehnte; seine lockere dramaturgische Struktur folgt der persönlichen Chronologie und ist an prägende Orte und Menschen geknüpft. Dem Besuch in der ersten Wohnung, in die seine Familie 1954 einzog, folgen unter anderem Begegnungen mit Mitschülern und einem greisen Deutschlehrer, mit Studienkollegen oder einer Redakteurin des Hessischen Rundfunks, die ihm den Weg zu ersten eigenen Filmen ebnete. Die Gespräche kreisen um gemeinsame Jugendträume, um frühe künstlerische Versuche als Poet und Maler, um die Freude an der Provokation, die Sehnsucht nach einem „grenzenlosen Leben in grellen Farben“. Zugleich reflektiert der Film Zeitgeschichte, beschreibt Atmosphärisches, umreißt politische Entwicklungen und Erfahrungen. Praunheim erhebt dabei keinen Anspruch auf analytische Komplexität, sein Film ist kein historisches Kolleg, vielmehr ein locker erzählter, subjektiver Report über Vergangenes, das vor dem Vergessen bewahrt werden soll. Rosa von Praunheim hat ein abgeklärtes, nahezu zärtliches Verhältnis zu seinen frühen Jahren. Der Film rechnet mit nichts und niemandem ab; für irgendwelche Vorwürfe oder für Häme gibt es keinen Raum. So stehen der Praunheimer Männerchor oder die Freiwillige Feuerwehr keineswegs für eine gewisse Biederkeit, sondern für ein bewahrtes, bewährtes Gemeinschaftsgefühl. Nur von den jungen Männern aus Migrantenfamilien, die in einem Hochhaus leben und über ihre Arbeitslosigkeit reden, geht ein Hauch von Beunruhigung aus, zumal Praunheim unmittelbar nach dieser Szene eine Totale der Frankfurter Downtown folgen lässt, mit ihren protzigen Bank- und Versicherungspalästen. In dem Puzzle aus Erinnerungsbildern und Gegenwartsmotiven finden sowohl die Frankfurter Edelhure Rosemarie Nitribitt als auch der Maler Ludwig Meidner, der Philosoph Theodor Adorno und Praunheims große Liebe Nora Gräfin Stolberg zu Stolberg Platz; natürlich auch die Studentenunruhen von 1968 und die beginnende Schwulenbewegung, die durch Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) eine Initialzündung erfuhr. Das alles ist locker gefügt, mehr ein Strauß bunter Blumen als eine fest geknüpfte Kette, ein freundlicher, gelegentlich sentimentaler Spaziergang durch die eigene Vita. Dass Praunheim einen jungen Mann engagierte, der in kurzen roten Hosen und mit rosa Täschchen als Ebenbild des Meisters durch die Szene wandelt, wäre verzichtbar gewesen. Wichtig dagegen ist die Kultband Baby of Control, die der Regisseur an der Kunsthochschule Offenbach traf und die im Film für das Prinzip Hoffnung steht, dass junge, unangepasste Künstler sich auch heute mit dem Zustand der Gesellschaft und der Welt nicht zufrieden geben.
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