Manuscripts Don't Burn

Filmessay | Iran 2013 | 124 Minuten

Regie: Mohammad Rasoulof

Ein inkriminiertes Manuskript mit den Memoiren eines Schriftstellers, die die iranische Regierung belasten, soll von Schergen des Regimes sichergestellt werden, die überdies den Verfasser sowie zwei seiner Autorenfreunde massiv einschüchtern und mundtot machen sollen. Der illegal gedrehte, in einem winterlich grauen, unwirtlichen Teheran spielende Film rekurriert auf eine Mordserie gegen Intellektuelle in den späten 1990er-Jahren. Die Inszenierung setzt auf eine klaustrophobische Atmosphäre, die vieles im Undeutlichen lässt und in langen Gesprächsszenen mitunter zur Überdeutlichkeit neigt. Gleichwohl ein politisch mutiger Film, der auf eine „kunstlose“ Abbildbarkeit des Politischen vertraut. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DAST-NEVESHTEHAA NEMISOOSAND
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Mohammad Rasoulof Prod.
Regie
Mohammad Rasoulof
Buch
Mohammad Rasoulof
Länge
124 Minuten
Kinostart
13.08.2015
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Filmessay
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Politisch mutiger Film wider die Dikatur im Iran

Diskussion
In Jafar Panahis „Taxi Teheran“ (fd 43 218; 2015) erlebt man die iranische Hauptstadt als pulsierende Metropole, voller lebhafter Individuen, darunter auch solche, die den staatlichen Restriktionen mit Diskursfreudigkeit und Verschmitztheit begegnen. Mohammad Rasoulof entwirft in „Manuscripts don’t burn“ ein gänzlich anderes Bild. Teheran ist hier ein gesichtsloser winterlicher Stadtraum, mehr Vorstadtödnis als urbane Landschaft und von einer allgegenwärtigen erdrückenden Grauheit durchsetzt. Überwachung, Einschüchterung und Gewalt beherrschen den Alltag, gleichzeitig wirkt das Leben wie abgedrosselt. Der Film erzählt von drei regimekritischen Schriftstellern, die auf unterschiedliche Weise um letzte Reste von Freiheit kämpfen. Einer von ihnen, Kasra, hat hochgefährliches Wissen in seinen Memoiren verarbeitet. Es geht darin um einen missglückten Anschlag auf eine Reisegruppe kritischer Schriftsteller. Handlanger des Regimes, unter ihnen ein Auftragskiller mit Geldsorgen und einem schwerkranken Sohn, sollen das belastende Manuskripte in ihren Besitz zu bringen und die Schriftsteller mit äußersten Mitteln einzuschüchtern und mundtot zu machen. Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof wurde im November 2010 zusammen mit Jafar Panahi zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Den Filmemachern wurde zu Last gelegt, gemeinsam an einem Dokumentarfilm zu arbeiten, der „feindliche Propaganda“ verbreite. Beide mussten die Haft nicht antreten, erhielten jedoch Hausarrest; Panahi wurde überdies mit einem Berufsverbot belegt. Rasoulof darf weiterhin als Filmemacher arbeiten und reisen; er pendelt gegenwärtig zwischen Teheran und seinem zweiten Wohnsitz Hamburg; „Manuscripts don’t burn“ musste jedoch ohne Genehmigung der iranischen Kulturbehörden gedreht werden. Der Film, der die systematische, unter dem Begriff „Kettenmorde“ bekannte Mordserie an Intellektuellen und Künstlern in den späten 1990er-Jahren verarbeitet, schwankt auf merkwürdige Weise zwischen Uneindeutigkeit und Überexplizitheit. So dauert es eine ganze Weile, bis man das fragmentarische Erzählmaterial sortiert bekommt und die Beziehungen der Figuren, ihre Hintergründe und Motive durchblickt. Es scheint, als wolle die Inszenierung Informationen absichtsvoll zurückhalten, um die Tatsachen anschließend umso direkter und unumwundener zu präsentieren. Symptomatisch für die Ungreifbarkeit des Geschehens ist das visuelle Konzept. Die Kamera fängt die Figuren vornehmlich in klaustrophobischen Close-Ups ein; nur selten gibt es einen Blick auf die räumliche Umgebung, vielmehr scheint die Kadrierung die Figuren auf engsten Raum regelrecht zusammenzupferchen. In den teils langen Gesprächsszenen zwischen dem Dichter Kiran und dem an den Rollstuhl gefesselten Autor Forouzandeh sowie Kasra und dem Geheimdienstler Morteza werden die politischen Konfliktlinien indes umso deutlicher beim Namen genannt. Die Figuren fungieren dabei ein wenig zu offensichtlich als Stellvertreter politischer Haltungen. Aber auch in den Verhör- und Folterszenen findet Rasoulof keine visuelle Sprache, die über das bloße Zeigen hinausgehen würde; die einzige Alternative besteht im Nicht-Zeigen. Es mag sicherlich Gründe geben, warum sich die Filme von Mohammad Rasoulof von ihren eher allegorischen Anfängen zu einem Kino hin bewegt haben, das sich in erster Linie als Anklage versteht und auf die Abbildbarkeit des Politischen vertraut. Für den Regisseur ist es zweifellos ein äußerst riskantes Unternehmen, einen Film wie „Manuscripts don’t burn“ überhaupt zu machen. Mit seinem „kunstlosen“ Ansatz, in dem weder Selbstreflexivität noch Realismen zweiter Ordnung einen Platz haben, beschneidet Rasoulof aber auch die Möglichkeiten des Kinos. Zurück bleibt vor allem ein Gefühl überwältigender Ohnmacht.
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