Pepe Mujica - Der Präsident

Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 93 Minuten

Regie: Heidi Specogna

Impressionistisches Porträt von „El Pepe“ José Alberto Mujica Cordano, dem bauernschlauen betagten Präsidenten von Uruguay, und seiner Lebensgefährtin Lucia Topolansky. Der Film ist konzipiert als unprätentiöse Annäherung an einen ebenso bodenständigen wie gebildeten ehemaligen Revolutionär, der heute darum kämpft, den Menschen ihre Würde zurückzugeben. Die mit dem Paar befreundete Dokumentaristin Heidi Specogna greift dabei auf Aufnahmen ihres Films „Tupamaros“ (1997) über die revolutionäre Vergangenheit des unzeitgemäßen Politikers zurück, der sich zeitlebens seine Integrität bewahrt hat. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Ma.Ja.De/WDR
Regie
Heidi Specogna
Buch
Heidi Specogna
Kamera
Rainer Hoffmann
Musik
Hans Koch
Schnitt
Kaya Inan
Länge
93 Minuten
Kinostart
05.03.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Piffl (16:9, 1.78:1, DD5.1 span.)
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Ein impressionistisches Porträt

Diskussion
Gäbe es diese Geschichte nicht, hätte sie sich irgendjemand bestimmt ausgedacht. Mitte der 1960er-Jahre war José Alberto Mujica, genannt „El Pepe“, Gründungsmitglied der Tupamaros, der linksradikalen Stadtguerilla in Uruguay, die gegen die Militärdiktatur und den US-Imperialismus kämpfte. Er wurde wiederholt verhaftet, gefoltert und saß anschließend 14 Jahre im Gefängnis; erst 1985 kam er durch eine Amnestie frei. Mujica wurde Bauer und Blumenzüchter und lebte mit seiner Lebensgefährtin Lucia Topolansky, die er im politischen Kampf kennengelernt hatte, ein einfaches Leben vor den Toren Montevideos. Das Paar engagierte sich weiterhin politisch, wovon Heidi Specognas Film „Tupamaros“ (fd 32 735) aus dem Jahr 1996 ausführlich erzählt: die freigelassene Stadtguerilla kehrte ins Leben und in die fortan gewaltlose linke Politik zurück. Was seinerzeit niemand ahnen konnte: Beide machten eine erstaunliche Karriere. Der Abgeordnete Pepe Mujica wurde 2005 Landwirtschaftsminister von Uruguay, 2009 sogar Staatspräsident; seine Amtszeit endet im März 2015. Zum Staatspräsidenten ernannt wurde er qua Protokoll von Lucia Topolansky, die dadurch selbst zur „First Lady“ Uruguays wurde. Doch nichts läge ferner als dieser Titel, um den Habitus des Paares angemessen zu beschreiben. Auch während seiner Amtszeit hat sich Mujica darum bemüht, sein eigenwilliges Verständnis von Politik und persönlicher Integrität zu „leben“, indem er im besten Sinne „unkonventionell“ in der Öffentlichkeit auftritt. Dass es in Uruguay einen Staatspräsidenten gibt, der mit einem Bruchteil seiner Bezüge auskommt und 90 Prozent seines Einkommens an NGOs spendet, der sich betont einfach kleidet und sich politisch für die Legalisierung homosexueller Lebensgemeinschaften und für die staatliche Regulierung des Marihuana-Marktes engagiert, um den Drogenhandel einzudämmen, schien den Medien eine Kapriole der Historie und taugte für manche Geschichte. Auf Einladung des Paares – der Kontakt war nach „Tupomaros“ nie abgerissen – reiste Heidi Specogna mit einem kleinen Team an den Rio de la Plata, führte Gespräche und sammelte Impressionen. Mal hält Mujica eine Rundfunkansprache, mal eröffnet er ein neues Housing-Projekt, mal erledigt er auf dem eigenen Hof anstehende Arbeiten mit dem Traktor. Instinktiv findet er in jeder Situation den richtigen Ton, gibt sich gleichermaßen bodenständig wie gebildet, pragmatisch wie visionär. Mujica und Topolansky wissen, dass sie nicht den Sozialismus in Uruguay einführen können, sondern eher an die Solidarität der Menschen appellieren müssen. Aber sie können vielen Menschen ihre Würde zurückgeben, indem sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten deren Lebensumstände verbessern. „Besiegt ist erst, wer nicht mehr kämpft“, resümiert Mujica seine eigenen Erfahrung. Man merkt dem Film an, wo die Sympathien der Filmemacherin liegen, die davon erzählen will, wie Idealismus und Bodenständigkeit –„Lektionen eines Erdklumpens“ lautete einmal der Untertitel des Films – eine Glaubwürdigkeit verleihen, die man leicht mit Charisma verwechseln könnte. Mujica ist ein Macher, der es durchaus legitim findet, bisweilen auf seine Freizeit zu pochen und nicht ans Telefon zu gehen. Eine schöne Utopie! Es ist dann Angela Merkel, die auf unmissverständliche Weise dafür sorgt, dass die Träume des Zuschauers nicht ins Kraut schießen. Anlässlich eines Staatsbesuchs Mujicas in Berlin behandelt sie den älteren, immer leicht nachlässig gekleideten Repräsentanten eines für Deutschland bedeutungslosen Landes mit einer ungeduldigen Herablassung, als wäre Mujica eine lästige Stubenfliege, die von den wichtigen Geschäften ablenkt. Das ist zwar eine schöne Pointe der Geschichte, die glücklicherweise auch einmal dokumentiert wurde; trotzdem hätte man sich gewünscht, dass die Impressionen, die Specogna in Uruguay gesammelt hat, etwas „politischer“ im Sinne einer konzentrierteren Befragung ausgefallen wären. Mujica zu Merkels Verhalten zu befragen, wäre interessant, aber aus diplomatischen Gründen wohl aussichtslos gewesen. So viel Profi ist Mujica bei allem Understatement dann eben doch.
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