Nackt unter Wölfen (2015)

Drama | Deutschland/Tschechien 2015 | 105 Minuten

Regie: Philipp Kadelbach

Die geheim gehaltene Ankunft eines dreijährigen Kindes im Konzentrationslager Buchenwald gegen Ende März 1945 stellt eine Gruppe von Häftlingen vor lebensgefährliche Gewissensentscheidungen, wollen sie doch um fast jeden Preis das junge Leben vor den Nazi-Schergen retten. Ein packendes Gewissensdrama als (Fernseh-)Neuverfilmung des gleichnamigen, bereits von Frank Beyer (DDR 1962/63) verfilmten Romans von Bruno Apitz (1958). Als Grundlage diente das unzensierte, zu DDR-Zeiten nicht veröffentlichte Manuskript von Apitz. Vorzüglich gespielt, vermeidet der Film in der nüchtern-prägnanten Durchzeichnung der Charaktere alles Plakative und verzichtet auf Rührseligkeiten. Gerade aus dieser Zurückhaltung entsteht eine mitreißende emotionale Wucht, die auch die harten Gewaltszenen glaubwürdig einordnet. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Tschechien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
UFA FICTION/MIA Film
Regie
Philipp Kadelbach
Buch
Stefan Kolditz
Kamera
Kolja Brandt
Musik
Michael Kadelbach
Schnitt
Bernd Schlegel
Darsteller
Florian Stetter (Pippig) · Peter Schneider (André Höfel) · Sylvester Groth (Krämer) · Sabin Tambrea (Reineboth) · Robert Gallinowski (Kluttig)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Die Geschichte der Rettung eines dreijährigen jüdischen Jungen im KZ Buchenwald: Erzählt hat sie Bruno Apitz in seinem Roman „Nackt unter Wölfen“, der 1958 veröffentlicht und 1962 vom jungen DEFA-Regisseur Frank Beyer verfilmt wurde. Ein DDR-Klassiker, schulische Pflichtlektüre, die identitätsstiftend sein sollte als Symbol des antifaschistischen Widerstands. Die Retter des Jungen sind vor allem politische Häftlinge, zugehörig einer kommunistischen Widerstandsgruppe im KZ. Vom zentralen Motiv ließ sich Roberto Benigni für „Das Leben ist schön“ inspirieren. Ein Kind in der Hölle. Das Kind: Inbild unschuldig aufblühenden Menschseins. Das KZ: Ein schrecklicherer Ort der Menschen-Demütigung, Folter und Vernichtung lässt sich kaum vorstellen. Drehbuchautor Stephan Kolditz und Regisseur Philipp Kadelbach, die schon bei „Unsere Mütter, unsere Väter“ zusammenarbeiteten, ist eine tief bewegende Neuinterpretation des Stoffs gelungen. Ihr Film, ausgestrahlt zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald, bewahrt die Kernmotive des Romans, ist aber weder direkte Adaption noch ein Remake des Beyer-Films. Kolditz’ Ausgangspunkt war die mit frühen Textentwürfen und historisch-kritischen Dokumenten erweiterte Neuauflage des Romans 2012. Kolditz: „Das Elend und Sterben der im ‚Kleinen Lager‘ eingepferchten Häftlinge, die jüdische Erfahrung – all das spielt im Roman kaum eine Rolle; wir thematisieren das stark. Die Selbstbefreiung der von der Widerstandsgruppe angeführten Häftlinge, wie sie im Roman steht und die Frank Beyer als euphorischen Sturm auf das Tor inszeniert hat, gab es so nie und gibt es bei uns nicht. Das Heranrücken der amerikanischen Armee war für die Befreiung am 11. April 1945 entscheidend.“ Die Story nimmt ihren Faden mit der Internierung des politischen Häftlings Pippig (Florian Stetter) auf und schildert das KZ-System im ganzen Ausmaß seiner zynischen Menschenverachtung und Brutalität. Ende März 1945 entdeckt Pippig im Koffer eines neu internierten polnischen Häftlings den dreijährigen Jungen. Der Entschluss, das Kind vor dem Zugriff des SS-Wachpersonals zu verstecken, ist riskant und umstritten, gefährdet nicht nur jeden Einzelnen, sondern auch die Aktionen der Widerstandsgruppe. So entwickelt sich unter den Häftlingen ein packendes Gewissensdrama. Die Typologie der Figuren, sowohl auf Seiten des SS-Wachpersonals (der Sadist, der junge Naive, der Kommandant, der sich in Sicherheit bringen will) wie auf Seiten der Häftlinge (vom hingebungsvoll engagierten Retter bis zum ängstlichen, seelisch gebrochenen Denunzianten) folgt bekannten Mustern, vermeidet aber in der nüchtern-prägnanten Durchzeichnung der Charaktere alles Plakative. Und findet brillante Darsteller. Entscheidend für das Gelingen des aufwändig produzierten Dramas ist die Zurückhaltung, mit der das Kind in Szene gesetzt wird. Keine Rührseligkeiten! Gerade daraus entsteht mitreißende emotionale Wucht. Kodlitz hofft, dass der Film eine Diskussion „über die unterschiedliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in den beiden deutschen Staaten in den 1950er- und 1960er-Jahren“ in Gang bringe.
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