Ixcanul - Träume am Fuße des Vulkans

Drama | Guatemala/Frankreich 2015 | 92 Minuten

Regie: Jayro Bustamante

Eine 17-Jährige vom Stamm der Kaqchiquel-Maya, die im Hochland Guatemalas mit ihrer Familie auf einer Kaffeeplantage lebt, sieht einer arrangierten Ehe mit dem Vorarbeiter entgegen. Als sich die junge Frau mit einem Jungen einlässt, der sie schwängert und danach in die USA emigriert, droht ihr Leben ebenso wie das ihrer Familie aus den Fugen zu geraten. Der betont ruhig erzählte Film begeistert als vielschichtiger Einblick in die Lebenswelt der Indios. Das Regiedebüt bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung des sozialen Geflechts, aus dem die liebevoll gezeichnete Beziehung der jungen Frau zu ihrer Mutter hervorsticht. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
IXCANUL
Produktionsland
Guatemala/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
La Casa de Production/Tu Vas Voir Prod.
Regie
Jayro Bustamante
Buch
Jayro Bustamante
Kamera
Luis Armando Arteaga
Schnitt
César Díaz
Darsteller
María Mercedes Coroy (María) · María Telón (Juana) · Manuel Antún (Manuel) · Justo Lorenzo (Ignacio) · Marvin Coroy (El Pepe)
Länge
92 Minuten
Kinostart
31.03.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Sensibles Familiendrama aus Guatemala

Diskussion
Der Begriff „Weltkino“ ist ein bisschen paradox: Er klingt nach großer weiter Welt, nach Internationalität, meint aber Filme, die sehr spezifisch in einer bestimmten Region verwurzelt sind – und die für den Rest der Welt ein Fenster dorthin aufstoßen. Was umso interessanter ist, wenn es um Länder geht, die ansonsten im Kino ziemlich unterrepräsentiert sind. Jayro Bustamentes Debütfilm „Ixcanul“ ist in diesem Sinne absolut gelungenes Weltkino: Für eine Spielfilmlänge wird man auf sehr unmittelbare, sensuelle Weise in die Lebenswelt einer Bauernfamilie in Guatemala geworfen, fast so, als könne man die Luft atmen, die nach Kaffee und Vulkan riecht. Am Fuß dieses Vulkans betet Juana dafür, dass ihre Tochter glücklich sei und von den Göttern beschützt werde. Die Weichen dafür hat die Maya-Frau zusammen mit ihrem Mann gerade gestellt – glaubt sie zumindest. Der Ehemann in spe, den die Eltern für das Mädchen ausgesucht haben, ist eine gute Partie: Ignacio ist Vorarbeiter auf der Kaffeeplantage, auf der auch die kleine Familie lebt und arbeitet; es spricht neben der Maya-Sprache auch Spanisch und fährt mit seinem Jeep gelegentlich in die Stadt, um dort Angelegenheiten für die Plantage zu erledigen. María allerdings scheint auf die Zukunft an seiner Seite nicht viel Lust zu haben. Zwischen den Kaffeebäumen knutscht sie mit einem der jungen Plantagenarbeiter, und als sie schließlich mit ihm schläft, ist das halb sexuelle Neugier, halb die Sehnsucht nach einem Ausbruch aus der kleinen bäuerlichen Welt, über der der Vulkan wie eine Mauer aufragt: Der Junge will in die USA, und María will ihn durch den Sex so an sich binden, dass er sie auf die Reise mitnimmt. Daraus wird allerdings nichts. Stattdessen lässt ihr Geliebter sie mit einem Problem zurück, dass in den nächsten neun Monaten das Leben ihrer Familie aus den Angeln zu heben droht. Regisseur Jayro Bustamente inszeniert die junge Frau als nahezu stumme Figur, die mehr über Blicke mit ihrer Umwelt korrespondiert als mit Worten. Was sie fühlt, was sie umtreibt, welche Entscheidungen sie trifft, muss man sich aus dem Spiel der Hauptdarstellerin erschließen; verbalisiert wird fast nichts. Diese Stummheit wirkt allerdings weniger als Zeichen der Verschüchterung, denn als eine sanfte Abgrenzung der jungen Frau von den Ansprüchen, die an sie herangetragen werden. Trotz der Tatsache, dass María sich offensichtlich von dem Leben auf der Plantage und dem elterlichen Hof eingeengt fühlt, ist die Beziehung zu ihren Eltern, vor allem zu ihrer Mutter, durchaus sehr liebevoll gezeichnet. Gerade die zärtliche, bedingungslose Fürsorge der resoluten alten Bäuerin für ihre Tochter sorgt dafür, dass „Ixcanul“ nie ein wirklich düsterer Film wird; selbst als es böse Schicksalsschläge einzustecken gilt, traut man dieser Mutter-Tochter-Beziehung zu, ihnen zu widerstehen. Bustamente inszeniert Marías Geschichte nicht als Melodram, sondern macht sie zur Folie für ein sehr vielseitiges Porträt der Lebenswelt und Mentalität der Indios. Beobachtungen tagtäglicher Arbeiten, das Ernten der Kaffeebohnen, das Schlachten eines Schweins, das Zubereiten von Brotfladen, spielen ebenso eine Rolle wie kritische Einblicke in die prekäre wirtschaftliche Situation, die Abhängigkeit der kleinen Bauern von den Plantagenbesitzern. Religiöse Riten und Vorstellungen, die Christentum und Naturreligion vereinen, werden ebenso in den Blick genommen wie das soziale Miteinander innerhalb der Plantage oder die Abschätzigkeit, mit der die Indios von der spanischsprachigen Stadtbevölkerung behandelt werden. All dies verbindet der Film zu einem faszinierenden Erzählteppich, der an Buntheit und Strahlkraft den traditionellen Stoffen, in die sich die Maya kleiden, in nichts nachsteht.
Kommentar verfassen

Kommentieren